Bausparkassen:Aus dem Gleichgewicht

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Die anhaltend niedrigen Zinsen gefährden die Idee des Bausparens. Viele Bausparkassen stehen derzeit unter Druck.

Von Benedikt Müller

Das Schöne am Bausparen war immer, dass es langfristig Sicherheit bietet: Egal, wie sich die Zinsen entwickeln, der Sparer bekommt stets die paar Prozent auf sein Guthaben, die anfangs vereinbart wurden. Und wenn er wirklich mal ein Haus bauen oder kaufen will, weiß er schon, zu welchen Konditionen ihm die Bausparkasse ein Darlehen geben würde. Es ist eine Mischkalkulation, die sowohl für den Sparer als auch für die Bausparkasse irgendwie aufging. Nur mit einem Szenario hatte niemand gerechnet: Dass die Zinsen einst auf Null oder gar darunter sinken - und auf Jahre so niedrig bleiben würden.

Genau dieser Fall ist eingetreten und bringt den Kreislauf des Bausparens aus dem Gleichgewicht. Millionen Bausparer in Deutschland erhalten weiterhin bis zu vier Prozent Zinsen auf ihr Guthaben. Die Rendite ist so unschlagbar hoch, dass die Sparer keinen Anreiz haben, ihre Verträge aufzulösen oder ihr Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. Wenn sie wirklich bauen oder kaufen wollen, erhalten sie anderswo viel günstigere Konditionen.

Weil die Kassen also weniger Bauspardarlehen vergeben, müssen sie die vielen Einlagen anderweitig anlegen. Doch damit können sie nie und nimmer vier Prozent Rendite erwirtschaften: Wenn sie das Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken, werden seit Mitte des Monats 0,4 Prozent Strafzins fällig. Laut Gesetz dürfen die Bausparkassen nur Anleihen mit einem sehr niedrigen Ausfallrisiko kaufen. Doch solche Bonds werfen kaum noch Zinsen ab. So wird es immer schwerer für die Bausparkassen, die Renditeversprechen der Vergangenheit einzuhalten.

Beispiel LBS Bayern: Die Landesbausparkasse hat im vergangenen Jahr nur "eine gute schwarze Null" erwirtschaftet; vor sechs Jahren machte die LBS noch mehr als 70 Millionen Euro Gewinn. Zum ersten Mal in seiner Geschichte streicht das Münchner Haus zurzeit knapp 15 Prozent seiner Stellen. Um die Zinslasten zu verringern, hat die LBS mehr als 25 000 Kunden gekündigt, die ihr Bauspardarlehen nicht abriefen, obwohl die Verträge seit vielen Jahren zuteilungsreif waren. Noch mal so viele Bausparer konnte die Kasse überzeugen, in günstigere Tarife zu wechseln. Immerhin verzeichnete die LBS im Jahr 2015 das stärkste Neugeschäft ihrer Geschichte. "Bausparen ist gefragt wie nie", sagt Vorstandschef Franz Wirnhier. Doch bis die vielen Neukunden ihre Bauspardarlehen in Anspruch nehmen, werden noch einige Jahre vergehen.

Noch gibt es hierzulande neun öffentlich-rechtliche Landesbausparkassen. Alle versuchen sie, den Durchschnittszins ihrer Verträge zu senken und Kosten zu sparen. Doch immer lauter denken die Institute darüber nach, ob nicht weitere Zusammenschlüsse nötig wären, um ihre Bausparkassen zukunftsfähig zu machen. Zurzeit schließen sich die LBS Baden-Württemberg und die LBS Rheinland-Pfalz zusammen. "Die Bereitschaft, sich solchen Prozessen zu stellen, wird größer", sagte Georg Fahrenschon, der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, bei der Bilanzpressekonferenz vergangene Woche.

Und das, obwohl die Bundesregierung den Bausparkassen bereits entgegengekommen ist: Seit Ende des vergangenen Jahres dürfen sie statt 80 Prozent nun 100 Prozent des Beleihungswerts einer Immobilie finanzieren. Die Novellierung des Bausparkassengesetzes ermöglicht den Häusern zudem, Pfandbriefe auszugeben. Außerdem kann dank der Gesetzesänderung beispielsweise die LBS Bayern vom Sommer an gewöhnliche Annuitäten-Darlehen vergeben - finanziert aus den Bauspareinlagen. Darüber hinaus dürfen die Bausparkassen von 2017 an einen kleinen Teil ihres Kapitals in Aktien anlegen. Diese Möglichkeit prüfe man zurzeit, heißt es etwa bei der LBS Bayern.

"Dank der Gesetzesänderung werden die Bausparkassen flexibler und können eher Geld verdienen", sagt Hans-Peter Burghof, Finanzprofessor an der Universität Hohenheim. "Allerdings verlieren sie zunehmend den Charakter einer Bausparkasse, je mehr gewöhnliche Immobilienfinanzierungen sie anbieten." Den spezifischen Wert des Bausparens sieht Burghof darin, dass der Sparer durch die regelmäßigen Einzahlungen seine Kreditwürdigkeit unter Beweis stelle. Im Endeffekt erhielten dadurch auch Menschen Zugang zu einer Immobilienfinanzierung, die nicht zum reicheren Teil der Bevölkerung gehörten; zudem sei die Ausfallrate niedriger als bei gewöhnlichen Hypothekenkrediten.

Obwohl die Politik ihnen bereits entgegenkam, ist die Zukunft einiger Bausparkassen ungewiss

Private Bausparkassen wie Wüstenrot-Württembergische oder genossenschaftliche Häuser wie Schwäbisch Hall leiden nicht so stark unter den niedrigen Zinsen. Denn sie bieten seit jeher auch gewöhnliche Immobilienfinanzierungen an. Dieses Geschäft boomt. Zwar drücke die Politik der EZB auf die Erträge, sagt Andreas J. Zehnder, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Privaten Bausparkassen. "Von einer Notsituation kann aber keine Rede sein." Die vielen neu abgeschlossenen Bausparverträge des vergangenen Jahres zeigten, dass Bausparen weiterhin das Vertrauen der Menschen genieße.

Finanzexperte Burghof betrachtet die Lage pessimistischer. "Zurzeit haben die Kunden das Gefühl, die Zinsen blieben dauerhaft niedrig." Dadurch verliere das Bausparen an Wert. Darüber hinaus ist noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob die Kündigung vieler Altverträge rechtens ist. Schließlich hatten die Bausparkassen jahrelang um Kunden geworben, die einfach nur sparen und kein Darlehen abrufen wollen. "Die sogenannten Freundsparer waren willkommen, weil sie frisches Geld einbrachten", sagt Burghof. Das macht es nicht leichter, zu begründen, warum man die reinen Sparer nun am liebsten loswerden möchte.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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