Eine große Fräse arbeitet sich durch die 2,40 Meter dicke Wand und wirbelt lautstark Staub auf. Riesige Löcher sind in dem Gemäuer entstanden und lassen es von außen noch unheimlicher wirken, als es in intaktem Zustand bereits war: ein fensterloser Turm mit nur wenigen Lüftungsschlitzen, in dessen Innenräume 63 Jahre lang kein Licht fallen durfte.
Das änderte sich mit Beginn der Bauarbeiten vor vier Wochen. "In dem Moment, als Licht rein kam, war das Feeling völlig anders", erinnert sich die Architektin Donata Eberle. Gemeinsam mit dem Designer Uwe Binnberg betreibt sie das Architekturbüro "Binnberg Planungen" und ist für den Umbau des einstigen Hochbunkers an der Claude-Lorrain-Straße 26 verantwortlich. Dritter Partner ist der Künstler Christoph Nicolaus, der zusammen mit Uwe Binnberg auch Inhaber des alten Gemäuers ist.
Die beiden bekamen den Zuschlag, als sie sich bei der Ausschreibung des Bunkerverkaufs durch das Kommunalreferat mit ihrem Konzept bewarben. "Ziemlich teuer" - das ist alles, was sie über den Kaufpreis verraten.
Wohnen im Bunker
Der Bunker in der Claude-Lorrain-Straße ist der erste und einzige, der zu einem Wohnhaus umgebaut wird. 15 weitere befinden sich in städtischem Besitz. Sie stehen größtenteils einfach leer, ein paar von ihnen nutzen Kultur- oder Sozialreferat; in dem Bunker in der Quellenstraße beispielsweise ist eine Musikschule untergebracht. Einige weitere gehören dem Bund oder der Bahn, teilt Christoph Gernhäuser vom Kommunalreferat mit.
Viele der einstigen Schutzräume stehen unter Denkmalschutz und dürfen daher weder benutzt noch umgebaut werden. Für den Bunker in der Claude-Lorrain-Straße gilt lediglich Bestandsschutz. Das heißt, er darf verändert werden, muss aber hinterher noch das Aussehen des vorherigen Gebäudes erkennen lassen.
Unverbaute Sicht im Norden
Das Licht in den jahrzehntelang abgedunkelten Räumen ist dennoch der Anfang eines neuen Zeitalters, das auf dem Grundstück zwischen Schyrenbad und Isar, den Gewächshäusern der Stadtgärtnerei und der "unverbauten Sicht" Richtung Norden anbrechen soll. Sechs moderne und ungewöhnliche Loft-Wohnungen sollen auf dem achteckigen Grundriss entstehen, das Haus wird um zwei Geschosse aufgestockt.
Das Angebot gilt
"Damit es sich rechnet, müssen wir die Wohnungen zu einem Quadratmeterpreis von 3800 bis 4200 Euro verkaufen", sagen die Eigentümer. Jede der sechs Wohnungen soll zirka 120 bis 130 Quadratmeter groß sein.
Eine davon wollen sich Binnberg und Nicolaus für sich selbst sichern. Der Umbau eines Bunkers aus der Nazizeit ist ein sensibles Projekt - das war den Bauherren von Anfang an klar. Um dem Gemäuer neues Leben einzuhauchen, ließen sie dem Anrücken der Bagger daher ein monatelanges Kunstprojekt vorangehen. Performances wie "Der glühende Bunker" lockten viele Interessierte an und ließen die tragischen Zusammenkünfte in dem Turm von einst vergessen.
Ausstattung der Wohnungen
Das einzige, was nach Ende des Umbaus vom Bunker-Gefühl übrig bleiben soll, sind die 2,20 Meter dicken Außenwände. Doch auch diese werden in der Nähe der Fenster zum großen Teil sehr viel dünner. Rund um den Turm entstehen Fenster mit 3,20 Metern großen Öffnungen. In den beiden oberen Stockwerken lebt man ganz ohne Bunkerwände: Sie werden rundum komplett verglast, aber natürlich mit Sicht- und Sonnenschutz versehen. Alle Wohnungen sollen Massivholzparkettböden bekommen sowie ein Bad- und ein Gäste-WC.
Für sämtliche weiteren Planungen sind die Bauherren noch offen. "Das können die Eigentümer selbst bestimmen", sagt Binnberg. "Es gibt eine tragende Wand. Wie viele weitere Wände, sprich Zimmer, erwünscht sind, ist Sache der künftigen Bewohner. Es ist alles möglich, von einem riesigen Raum bis zur Vier-Zimmer-Wohnung." Wer sich für einen Wohnsitz im Bunker interessiert und diesen noch individuell mitgestalten möchte, sollte sich bald melden. Bis Dezember sollen die Wohnungen fertig sein, voraussichtlicher Einzugstermin ist Februar 2005.