Basiskonto:Teures Recht

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Menschen vor der Ausländerbehörde in Berlin. Banken müssen auch Asylbewerber oder Obdachlose als Kunden akzeptieren. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Seit einem Jahr darf jeder in Deutschland ein Konto eröffnen. Das Gesetz wirkt, doch die Gebühren sind oft hoch.

Von Felicitas Wilke, München

Genau ein Jahr ist es her, dass in Deutschland das Zahlungskontengesetz in Kraft getreten ist. So sperrig der Name auch klingt: Für Hunderttausende Menschen in Deutschland hat das neue Gesetz viel bewirkt. Sie haben jetzt das Recht darauf, ein Konto zu eröffnen. In den allermeisten Fällen halten sich die Geldinstitute an die Regeln. Dennoch fordern Verbraucherschützer den Gesetzgeber auf, an manchen Stellen nachzubessern.

Wer keinen festen Wohnsitz hat, als Flüchtling nach Deutschland gekommen ist oder sein Konto in der Vergangenheit pfänden lassen musste, stieß in der Bankfiliale früher häufig an Grenzen. Obwohl sich die Banken bereits 1995 freiwillig verpflichtet hatten, auch für sozial schwächer gestellte Menschen ein Konto zu eröffnen, wurde deren Antrag am Schalter oftmals abgewiesen. Schätzungen der Bundesregierung zufolge mussten bis vor einem Jahr 600 000 Menschen hierzulande ohne Bankkonto zurechtkommen. Nicht einfach, wenn man Lohn oder staatliche Leistungen erhält und Rechnungen zu bezahlen hat.

Am 19. Juni 2016 setzte die Bundesregierung eine EU-Richtlinie um, die besagt hatte, dass jeder Mensch in Europa das Recht auf eine Bankverbindung haben soll. Das Basiskonto ermöglicht Bankkunden seitdem, Geld einzuzahlen, abzuheben und zu überweisen, Lastschriften zu tätigen und mit der Girokarte zu bezahlen. Nur ein Dispositionsrahmen und eine Kreditkarte bleiben ihnen vorenthalten. Verweigert eine Bank einem potenziellen Neukunden ein Konto, kann die Aufsichtsbehörde Bafin jetzt einschreiten und den Anspruch durchsetzen. 110 Mal hat sie das im vergangenen Jahr getan, meistens gaben die Banken in der Anhörung aber schnell nach. Nur in 17 Fällen musste die Bafin förmlich anordnen, das Konto zu eröffnen.

Ab wann kann man von unverhältnismäßig hohen "Abwehrpreisen" sprechen?

Nicht nur diese geringen Fallzahlen deuten darauf hin, dass das Gesetz im Grunde wirkt. Auch die Menschen, die das Basiskonto betrifft, sind zufrieden. "Das Gesetz sorgt für ein Stück mehr Humanität", sagt Johannes Denninger von Biss e.V. in München. Sein Verein arbeitet mit Bürgern in sozialen Schwierigkeiten zusammen, die durch den Verkauf einer Straßenzeitung Geld verdienen. Früher hätten viele Mitarbeiter Probleme gehabt, ein Konto zu eröffnen - jetzt hingegen laufe in der Regel alles rund. "Das ist schon ein großer Erfolg für unsere Leute", sagt Denninger.

Ja, der Zugang zur eigenen Bankverbindung funktioniere gut, findet auch Christina Buchmüller, Finanzmarktreferentin beim Bundesverband der Verbraucherzentrale. Dennoch stoßen Kunden ihrer Ansicht nach auf zwei wesentliche Probleme, wenn sie ein Basiskonto eröffnen möchten: "Sie müssen bei vielen Anbietern hohe Gebühren hinnehmen und haben bei der Suche nach einem passendem Kontomodell weniger Auswahl als andere Kunden", kritisiert Buchmüller. Dass das Konto für jedermann tendenziell teurer ist als andere Preismodelle, prangern die Verbraucherschützer schon seit Längerem an. Im Herbst haben sie einige Banken dafür abgemahnt, einige Gerichtsverfahren laufen.

Obwohl sich das Basiskonto vor allem an Menschen richtet, die wenig Geld haben, kostet es oftmals mehr als andere Konten. Der Grundpreis schwankt bei den meisten Banken zwischen zwei und zehn Euro pro Monat; hinzu kommt, dass viele Institute einzelne Dienstleistungen wie Überweisungen zusätzlich in Rechnung stellen. "Angemessen", wie es im Gesetz steht, seien diese Gebühren oftmals nicht, findet Buchmüller - das gelte insbesondere dann, wenn das Basiskonto das mit Abstand teuerste Kontomodell ist. Die Banken halten dagegen: Man beachte die Vorgaben zu den Entgelten, heißt es bei der Deutschen Kreditwirtschaft. Der Gesetzgeber habe den Banken eingeräumt, bei den Basiskonten kostendeckend zu arbeiten und einen "angemessenen Gewinn" zu erzielen. Die verglichen mit anderen Kontomodellen oftmals höheren Gebühren haben die Institute in der Vergangenheit mit einem höheren Aufwand begründet - etwa, weil es bei Flüchtlingen oftmals komplizierter sei, deren Identität zu prüfen.

Während andere Kunden jedoch fast immer zwischen günstigeren Online-Preismodellen und teureren Filialkonten wählen können, differenzieren beim Basiskonto nur die wenigsten Banken. "Wer online-affin ist, muss trotzdem den hohen Grundpreis zahlen", kritisiert Buchmüller. Sie glaubt, dass dieses Vorgehen gegen das Gesetz verstößt: Darin heißt es, das Nutzerverhalten der Kunden müsse berücksichtigt werden. Anfang Juli wird ein erstes Urteil zum Nutzerverhalten erwartet. Dabei hatte die Verbraucherzentrale gegen die Sparkasse Ostholstein geklagt.

Tatsächlich lässt die deutsche Auslegung der europäischen Richtlinie Platz für Interpretationen. Wann ist eine Gebühr "angemessen", ab wann kann man von unverhältnismäßig hohen "Abwehrpreisen" sprechen, wie es die Bafin-Exekutivdirektorin Béatrice Freiwald im Mai ausgedrückt hat? Andere EU-Staaten wie Österreich oder Litauen haben das geregelt und die Gebühren für das Basiskonto gedeckelt: Bei den Nachbarn im Süden darf es für "sozial und wirtschaftlich besonders schutzbedürftige Verbraucher" wie Asylbewerber und Obdachlose maximal 40 Euro im Jahr kosten. In Deutschland gibt es eine solche Regelung bislang bewusst nicht - um den Wettbewerb nicht auszuhebeln, wie die Bafin erklärt. So weit müsse man auch gar nicht gehen, findet Verbraucherschützerin Buchmüller. Sie wünscht sich, dass die Behörde Leitlinien formuliert, wann Basiskontoentgelte angemessen sind. "Falls das nicht passiert, muss der Gesetzgeber die schwammige Entgeltdefinition konkretisieren", sagt sie.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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