Bankwechsel:Untreu - mithilfe des Staates

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Immer mehr Verbraucher schließen ihr Bankkonto und gehen zur Konkurrenz. Anlass dazu geben meist Gebührenerhöhungen. Leider denken auch Online-Anbieter darüber nach.

Von Felicitas Wilke, München

Deutsche Bankkunden gelten als treu, man könnte auch sagen: träge. Drei von vier Kunden haben noch nie ihr Girokonto gewechselt, ergab eine Studie. Doch das ändert sich jetzt. Auf einmal wechseln die Deutschen die Bank, nicht in Scharen, aber stetig.

Der Grund: Seit knapp vier Monaten werden Verbraucher vom Staat ermutigt, mit ihrem Konto umzuziehen. Grundlage ist das Zahlungskontengesetz. Es sieht vor, dass die Banken die Kunden dabei unterstützen müssen, ihre Bankverbindung schnell und mit weniger bürokratischem Aufwand als früher wechseln zu können. Nebenbei lieferten auch diverse Banken den Verbrauchern im vergangenen Jahr gute Gründe, sich einen neuen Anbieter zu suchen. Beispielsweise haben die Postbank, die Hypo-Vereinsbank sowie viele Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihre Gebühren fürs Girokonto erhöht. Über das Jahr gerechnet kann ein Konto seither schnell zwischen 50 und 100 Euro oder sogar mehr kosten.

Die Filialbanken, die ihre Gebühren vor kurzem erhöht haben, stellen diesen Schritt gern als Erfolg dar. Die Postbank, die ihr kostenloses Girokonto ohne Bedingungen im November abgeschafft hat, lässt verlauten, dass die Kunden darauf "verständnisvoll" reagierten und weniger als erwartet gekündigt hätten. Ähnlich äußern sich die Hypo-Vereinsbank, die Berliner und die Frankfurter Sparkasse. Konkrete Zahlen nennen die Institute nicht.

Wenn jemand von den teuren Gebühren dieser Institute profitiert, dann die Direktbanken. Sie berechnen bislang keine Kontoführungsgebühren. Glaubt man ihnen, dann wechselten die Menschen 2016 "mehr als sonst üblich", wie Alexander Baumgart von der ING Diba sagt. Von August bis Oktober eröffneten etwa 150 000 Menschen ein neues Girokonto bei dem Online-Anbieter. Im November, nachdem die Postbank ihre Gebühren erhöht hatte, habe die ING Diba an manchen Tagen bis zu 4000 neue Kunden hinzugewonnen, fast viermal so viele wie sonst. Bei dem Unternehmen geht man davon aus, dass es vor allem die höheren Gebühren anderer Institute waren, die Verbraucher dazu bewegten, ihre Bankverbindung zu wechseln.

Auch Direktbanken erwägen Gebührenerhöhungen

Oliver Mihm, Vorstand der auf den Finanzmarkt spezialisierten Beratung Investors Marketing, teilt diesen Eindruck. "Die Wechsel sind getrieben durch die erhöhten Gebühren und nicht durch den vereinfachten Kontowechsel", sagt er. Die neue Option sei beim Kunden "noch nicht angekommen". Zudem bieten viele Direktbanken ihren Neukunden schon lange freiwillig einen solchen Service an.

Investors Marketing erfasst regelmäßig Daten, wie viele Bankkunden in Deutschland sich bereit fühlen, ihren Anbieter zu wechseln. Die Zahl liege relativ stabil bei drei Millionen, sagt Mihm, zuletzt seien aber "leichte Verschiebungen zugunsten der Direktbanken" zu erkennen. Profitieren kann derzeit vor allem die ING Diba. Auch, weil sie mit Fernsehspots derzeit aktiv um neue Kunden wirbt.

Andere Direktbanken, die weniger Geld ins Marketing stecken, gewinnen auch weniger neue Kunden hinzu. Bei der DKB sind es "an starken Tagen bis zu 2000", wie ein Sprecher der Bank erklärt. Sowohl die Comdirect wie auch die Consorsbank haben nicht mehr neue Kunden für sich überzeugen können als im Vorjahr. Man habe die Konto-Produkte "aus dem Schaufenster herausgenommen", begründet Consorsbank ihr Vorgehen. Der Grund: Solange die Verbraucher nur kostenlose Leistungen wie das Girokonto nutzen, verdienen die Unternehmen mit ihnen kein Geld. Daher legen viele Direktbanken ihren Fokus darauf, für ihre Kunden ein Wertpapierdepot zu eröffnen.

Ob sie verstärkt werben oder nicht, Berater Mihm glaubt daran, dass der Trend hin zu den günstigen Direktbanken weitergehen wird - wenn auch langsam. "Die Bankkunden bleiben eher träge, weil das Konto ein Produkt ist, mit dem sich nur wenige Menschen gerne befassen", sagt er. Doch je mehr Institute ihre Gebühren erhöhen, desto eher seien die Kunden auch bereit, zu wechseln. Zumal die nachwachsenden Generationen sich ihrer Bank vor Ort gegenüber weniger loyal verhielten, so Mihm.

Carmen Friedrich, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen, empfiehlt Bankkunden, genau zu überlegen, "was sie von ihrem Konto erwarten". Manchmal könnten Verbraucher schon Geld sparen, wenn sie nur das Kontomodell innerhalb der Bank wechseln. Es könne auch eine Option sein, sich einen neuen Anbieter zu suchen - allerdings auf die Gefahr hin, dass auch dieser seine Preise früher oder später anhebt.

Tatsächlich erwägen auch Direktbanken, das Gratiskonto abzuschaffen. Die ING Diba räumt ein, dass man darüber nachdenke, "wo unsere Schmerzgrenze liegt". Mittlerweile hat die ING Diba bekannt gegeben, 2017 keine Gebühren zu erheben.

© SZ vom 05.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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