Bankgeheimnis:Sieg für Whistleblower

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Der Schweizer Ex-Banker Rudolf Elmer hat Daten über vermeintliche Steuersünder weitergegeben. Ein Gericht entlastete ihn nun.

Von Charlotte Theile, Zürich

Wann immer der Mann mit Hut auf einem Fernsehbildschirm auftaucht, gerät ein erheblicher Teil der Schweizer Bevölkerung in Wut. "Verräter" ist eine der gängigen Beschimpfungen, mit denen Rudolf Elmer, heute 62 Jahre alt, bedacht wird. Andere bezeichnen den früheren Angestellten der Zürcher Privatbank Julius Bär als "Datendieb" oder "ganz gewöhnlichen Kriminellen". Elmer selbst sieht sich dagegen als Whistleblower. Als einen, der sich gegen die zum Teil haarsträubenden Praktiken der Schweizer Banken gewehrt und dafür einen hohen Preis gezahlt hat. Seit diesem Mittwoch ist klar: Der Preis, den Elmer für die Weitergabe sensibler Bankdaten zahlen muss, bleibt überschaubar. Das Bundesgericht im westschweizerischen Lausanne wies die Beschwerde der Zürcher Strafverfolger ab.

Elmer, der für Julius Bär auf den Cayman Islands tätig war, habe das Schweizer Bankgeheimnis nicht verletzt, urteilten die Richter. Schließlich sei Elmer ganz bewusst im Ausland platziert worden - weil die dortige Rechtslage für die Bank von Vorteil war. Um das Bankengeheimnis verletzen zu können, muss man aber Angestellter einer Schweizer Bank sein.

Konkret bedeutet das: Elmer muss nicht ins Gefängnis. Als unschuldig sahen die Richter in Lausanne Rudolf Elmer jedoch nicht an. Wegen Nötigung und Drohung erhielt Elmer, einst die Nummer zwei in der Hierarchie von Julius Bär, eine Bewährungsstrafe.

Der Fall Elmer hatte die Schweizer Justiz 14 Jahre lang beschäftigt, auch international war er viel beachtet worden. Denn Rudolf Elmer, der von 1994 bis 2002 führender Manager auf den Cayman Islands war, hatte mit den Daten seines früheren Arbeitgebers der Plattform Wikileaks zu einer Sensation verholfen. Anfang 2008 veröffentlichte Elmer, der zuvor bereits einige Schweizer Medienhäuser kontaktiert hatte, über Wikileaks Kundendaten und weitere Julius-Bär-Interna. Elmer warf der Bank vor, systematisch Steuerhinterziehung zu unterstützen. Die Bank versuchte ohne großen Erfolg, die Daten vom Netz nehmen zu lassen.

Elmer, der nach seiner Entlassung bei Julius Bär für einige Jahre bei einer anderen Bank auf Mauritius tätig gewesen war, wurde nach seiner Rückkehr in die Schweiz erneut vor Gericht gestellt. Anfang 2011 provozierte Rudolf Elmer die schweizerischen Behörden mit einer Pressekonferenz in London, bei der er Wikileaks-Gründer Julian Assange medienwirksam CDs übergab. Später im Prozess behauptete Elmer, die CDs seien leer gewesen. Weitere Veröffentlichungen bei Wikileaks gab es nicht.

Elmer stand weiter in der Öffentlichkeit, gab Interviews, saß bei Günther Jauch als Talkshow-Gast. Der frühere Banker schrieb Bücher und versuchte sich als Politiker der Alternativen Liste. Dabei ging es auch um das Verhalten der Bank Julius Bär, die Elmer von einer Vielzahl von Privatdetektiven hatte beschatten lassen. Elmer seinerseits hatte frühere Kollegen bedroht. Im Interview mit der SZ sagte er 2014: "Ich habe nur damit gedroht, dass ich mit Daten an die Öffentlichkeit gehen würde, wenn das nicht aufhört."

Zudem zog auch Elmer vor Gericht. Wer ihn als "Datendieb" bezeichnete, wurde verklagt. Besonders oft traf das die rechtskonservative Weltwoche, deren Berichterstattung über den früheren Julius-Bär-Banker mehrfach gerügt wurde. Tatsächlich ist es besonders die politische Rechte, die mit Elmer eine Rechnung offen hat. So fiel auch der Entscheid am Bundesgericht in Lausanne knapp aus. Drei von fünf Richtern stimmten für Elmer, die beiden Richter, die gegen ihn stimmten, gehören der rechtspopulistischen SVP an. Sie vertraten den Standpunkt, dass Elmer Angestellter einer Schweizer Bank gewesen sei. In den Kommentarspalten der Schweizer Medien löst diese "politische Rechtsprechung" einige Diskussionen aus.

Rudolf Elmer dagegen kann sich freuen. Wer ihn in Zukunft als Verräter bezeichnet, sollte sich auf eine Niederlage vor Gericht einstellen.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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