Bankenfusionen:Neue alte Deutschland AG

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In der Bankbranche hat es eine Revolution gegeben. Doch sie führt zugleich zu einer Neuauflage der Deutschland AG - in abgespeckter Form.

Martin Hesse

Die Neuordnung der deutschen Bankenlandschaft nimmt konkrete Züge an. Die Commerzbank hat die Dresdner Bank übernommen, der Verkauf der Postbank an die Deutsche Bank steht unmittelbar bevor.

Es ist naiv und fahrlässig, in der größten europäischen Volkswirtschaft auf eine starke Finanzbranche zu verzichten (Foto: Foto: dpa)

Wenn dieses Geschäft nicht noch auf den letzten Metern scheitert, dann hätten Josef Ackermann und die übrigen deutschen Bankchefs binnen zwei Wochen zum Abschluss gebracht, was ihnen zuvor in zehn Jahren nicht gelang: Sie haben aus den verbleibenden vier privaten Großbanken zwei neue Kreditinstitute geformt. Das ist eine kleine, eine notwendige Revolution in einer Branche, die jahrelang wie gelähmt war. Einerseits.

Andererseits erinnert der Weg, den die Protagonisten dieser Neuordnung beschritten haben, in vieler Hinsicht an Verhältnisse, wie sie in diesem Land bis in die 90er Jahre hinein herrschten: Die vermeintliche Revolution ist eine Neuauflage der Deutschland AG in abgespeckter Form.

Schutz vor Angriffen aus dem Ausland

Damals kontrollierten Deutsche Bank und Allianz über Beteiligungen und Aufsichtsratsmandate nicht nur große Teile der Finanzwirtschaft, sondern auch der deutschen Industrie. Heute haben die beiden wieder ihre Hand auf die deutsche Finanzwirtschaft gelegt. Zwar stößt die Allianz die Dresdner Bank ab, sie wird aber zugleich größter Aktionär des neuen, mächtigeren Instituts. Gegen den Willen des Versicherers geht vorerst nichts. Auch die Deutsche Bank erwirbt zunächst an der Postbank nur eine Minderheit - vorbei kommt an ihr aber niemand mehr.

Damals wie heute geht es führenden Managern der deutschen Wirtschaft darum, sich vor Angriffen unwillkommener Investoren oder Konkurrenten aus dem Ausland zu schützen. Nicht nur Banken, auch viele Industriekonzerne sind anfällig geworden, weil ihre Aktienkurse infolge der Finanzkrise und der Konjunkturabschwächung gesunken sind. Unternehmen wie Daimler überlegen deshalb, wie sie Großaktionäre gewinnen können, die sie vor Attacken schützen. Auch der von der deutschen Autoindustrie ausdrücklich unterstützte Einstieg des Familienunternehmens Schaeffler bei Continental ist in diesem Lichte betrachtet eine Abwehrmaßnahme der deutschen Wirtschaft gegen Angreifer von außen.

Besonders augenfällig ist die Neuauflage der Deutschland AG aber in der Finanzwirtschaft, das zeigt auch die Rolle der Politik. Die Bundesregierung hat beim Verkauf der Dresdner Bank und bei der Postbank hinter den Kulissen auf deutsche Lösungen gedrängt. Manch einem ausländischen Mitbieter ist das sauer aufgestoßen. Doch das Vorgehen der Politik ist legitim.

Deutsche Lösungen sind sauber, solange die Käufer Preise zahlen, die nicht klar unter den Geboten der Konkurrenz liegen. Im Falle der Postbank hat der Bund als Großaktionär der Post sogar ein Vetorecht beim Verkauf der Tochter. Vermutlich hätte es aber der Nachhilfe Merkels nicht bedurft, um die deutschen Banken zusammenzubringen. Die Finanzwirtschaft hat begriffen, dass dies die letzte Chance ist, unabhängige deutsche Banken zu formen, die zumindest in Europa eine Rolle spielen können.

Weckruf Unicredit

Ein Weckruf für die Branche war der Verkauf der HypoVereinsbank an die italienische Unicredit 2005. Natürlich können auch ausländische Institute deutsche Verbraucher mit Finanzdienstleistungen versorgen und mittelständische Firmen in der Globalisierung begleiten.

Doch es wäre naiv und fahrlässig, in der größten europäischen Volkswirtschaft auf eine starke Finanzbranche zu verzichten und sie abhängig von Entscheidungen zu machen, die in Mailand, New York oder dereinst in Peking fallen. Außerdem gehen Stellen und Know-how verloren, wenn die Bankzentralen ins Ausland wandern.

Deshalb ist es richtig, dass deutsche Banken ihre Kräfte bündeln. Auch die Spitzeninstitute der Genossenschaftsbanken, DZ Bank und WGZ Bank, verhandeln über eine Fusion. Jetzt sind die öffentlichen Banken am Zug. Auch aus den Landesbanken in Stuttgart, München und anderswo könnten durch Fusionen schlagkräftigere Institute werden. Hier muss die Politik viel mehr als in der privaten Bankwirtschaft dafür sorgen, dass endlich Lösungen gefunden werden, etwa für die angeschlagene WestLB.

Mit Größe allein ist es allerdings nicht getan. Die Kunden werden von den Zusammenschlüssen nur profitieren, wenn die Banken einen Teil der Kostenvorteile an sie weitergeben, die sie durch Größe gewinnen; wenn sie Produkte entwickeln, die Verbraucher und Firmen wirklich brauchen; wenn sie besser beraten und auf unseriöse Konstrukte verzichten wie auf jene verpackten, faulen Immobilienkredite, die von Amerika ausgehend die aktuelle Finanzkrise verursachten.

All das wird nur funktionieren, wenn Ackermann und Co. die Mitarbeiter mit auf den Weg in die neue deutsche Bankenwelt nehmen. Deshalb ist es gut, dass die Deutsche Bank die Postbank zunächst nicht unter ihr eigenes Dach zwingen will und langjährige Standort- und Jobgarantien gewährt.

Die neue Deutschland AG gibt den deutschen Großbanken Zeit, die schwierigen Zusammenschlüsse behutsam umzusetzen. Für einige Jahre sind sie vor Übernahmen geschützt. Auf Dauer aber müssen die Banken beweisen, dass sie dank guter Geschäftsmodelle bestehen können und die Krücken der Deutschland AG nicht brauchen.

© SZ vom 12.09.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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