Banken und Versicherungen II:Das große Aufräumen

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Die Versicherer reparieren ihre Schäden aus den heftigsten Turbulenzen seit Jahrzehnten. Während die Münchner Rück schwere Verluste erlitt, verbucht Branchenführerin Allianz bereits wieder schwarze Zahlen.

Von Martin Reim

Kaum ein Ereignis symbolisiert das, was die Versicherungswirtschaft im abgelaufenen Jahr bewegt hat, so gut wie der Kollaps der Mannheimer Leben. Der mittelgroße Anbieter musste auf Druck der Finanzaufsicht im Juni 2003 aufgeben - als erster Branchenvertreter seit Kriegsende.

Diese unrühmliche Premiere war ein Resultat der heftigen Turbulenzen, in die das Unternehmen und die gesamte Sparte seit der Jahrtausendwende geraten waren. Hart getroffen wurden die Konzerne insbesondere durch den Absturz der Aktien in ihren Anlage-Portfolios.

Die Mannheimer hatte noch unglücklicher agiert als die Konkurrenten. Doch handelte es sich bei ihrem Kollaps nicht etwa um den Höhepunkt einer akuten Krise, sondern um Nachwirkungen eines Problems, das eigentlich ausgestanden war. Denn die Aktienkurse waren wieder im Aufschwung begriffen, als die Finanzaufsicht aktiv wurde.

Heute ist klar: Die Mannheimer wäre mittlerweile aus dem Schneider, wenn man sie leben gelassen hätte. Auch einige Große der Branche mussten kräftig aufräumen. Am weitesten ging dies beim Gerling-Konzern, der sich unter anderem von seiner Rückversicherungs-Sparte trennte, obwohl er dort zu den Weltmarktführern zählte. Diese Umbauten ließen den Versicherer auf der Umsatz-Rangliste von fünf auf elf absinken - der tiefste Fall des Jahres.

Den spektakulärsten Absturz beim Ergebnis erlitt die Münchener Rück. Vor allem wegen verzögerter Abschreibungen und Steuerzahlungen durch Aktienverluste schrieb der weltgrößte Rückversicherer einen Verlust - erstmals seit der Nachkriegszeit. Das Minus entstand im Wesentlichen im Erstversicherungs-Bereich, namentlich bei den Töchtern Hamburg-Mannheimer und Victoria.

Die Allianz schaffte hingegen die Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Hauptgrund: Die Branchenführerin hatte bereits 2002 hohe Abschreibungen vorgenommen, so dass nun weniger fällig wurden. Außerdem war 2003 in der Schadens- und Unfallversicherung, dem wichtigsten Standbein der Allianz, ein ungewöhnlich gutes Jahr; es gab weniger Stürme, Fluten und andere Naturkatastrophen.

Ebenfalls hohe Umsätze und - von den Abschreibungen abgesehen - gute Gewinne kamen aus der Lebensversicherung. Kein Wunder: Immer mehr Bundesbürger wollen privat fürs Alter vorsorgen. Solch gute Geschäfte quer durch die Versicherungssparten waren in der gesamten Branche zu verzeichnen.

So wuchsen die gesamten Beitragseinnahmen im Erstversicherungs-Bereich um 4,7 Prozent; nach Angaben des Unternehmensverbandes GDV zählt die Assekuranz damit zu den wachstumsstärksten Wirtschaftszweigen der Republik.

Zurück zu Allianz und Münchener Rück: Sie marschierten - von den Ergebnissen abgesehen - 2003 in einem bemerkenswerten Gleichschritt. Beide gaben zusätzliche Aktien aus, um durch frisches Geld ihre erodierte Kapitalbasis zu reparieren. Zuvor hatten Rating-Agenturen die Firmen kräftig herabgestuft, was auch eine Spätfolge der Krise war. Und beide Konzerne mussten mit ansehen, wie ihre Aktienkurse auf die niedrigsten Werte seit langen Jahren abrutschten - und konnten sich mittlerweile über einen gewissen Aufschwung freuen.

Talanx will an die Börse

Zudem wechselten beide ihre Vorstandschefs. Bei der Allianz kam im Mai Michael Diekmann für Henning Schulte-Noelle, bei der Münchener Rück ersetzte Nikolaus von Bomhard zu Jahresende Hans-Jürgen Schinzler. Dass die Zeitpunkte kein Zufall waren, sondern mit den schwachen Ergebnissen zusammenhängen, erscheint klar. Die Konzerne selbst dementieren allerdings solch eine Verbindung.

In interessantem Kontrast zu den Branchenführern steht die drittplatzierte Talanx AG. Der Konzern, der aus dem früheren Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI) hervorgegangen ist, steuerte ohne größere Blessuren durch sämtliche Turbulenzen. Wolf-Dieter Baumgartl, seit einem Jahrzehnt an der Spitze, blieb auf dem Posten - und der Gewinn stieg stetig.

Vielleicht hängt diese Kontinuität damit zusammen, dass Talanx nicht an der Börse notiert ist und deshalb ruhiger arbeiten kann. Damit ist es allerdings in absehbarer Zeit wohl vorbei. Der Konzern strebt an den Aktienmarkt und glaubt, dass er schon im kommenden Jahr zu solch einem Schritt in der Lage ist. Hauptgrund für die Pläne: Talanx braucht Geld für Akquisitionen.

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