Banken kassieren ab:Wucher nimmt neue Formen an

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Geldinstitute verlangen bei Kredite immer häufiger teure Zusatzversicherungen. Mit ihnen steigen die effektiven Zinssätze schnell auf 20 bis 30 Prozent — ohne dass die Geldinstitute diese Kosten offen legen. Die EU will jetzt eingreifen.

Von Thomas Öchsner

(SZ vom 18.10.2003) — Wenn es ums Geld verdienen geht, sind manche Banken äußerst erfinderisch. Dies zeigt der Fall eines Rentner-Ehepaares aus Löhne in Nordrhein-Westfalen, das im Juni 2002 bei der CC-Bank einen Ratenkredit über rund 6000 Euro aufnahm: Die Beraterin in einer Filiale in Bielefeld verband das Kreditgeschäft mit dem Verkauf von vier Versicherungen.

Jeder der beiden Darlehensnehmer schloss eine Kreditlebensversicherung (Restschuldversicherung) und eine Unfalltod-Zusatzversicherung ab. Der noch ausstehende Darlehensbetrag beim Tod eines der beiden Kreditnehmer war dadurch jeweils doppelt abgedeckt. Die Prämien für die vier Policen, insgesamt 3640 Euro, die das Geldinstitut auf einen Schlag im Voraus und nicht in monatlichen Raten forderte, wurden von der CC-Bank ebenfalls finanziert.

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Die Gesamtkosten für den Ratenkredit stiegen so exorbitant: Berücksichtigt man die Versicherungsprämien, beläuft sich der effektive Jahreszins auf 39,9 Prozent, so die Berechnung von Arno Gottschalk, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen. Nach Ansicht von Gottschalk "ist dieses unseriöse Geschäftsgebaren eine neue Form von Wucher.

Nachdem der Bundesgerichtshof Wucherzinsen verboten hat, langen manche Geldinstitute jetzt bei den Nebenleistungen in sittenwidriger Weise zu."

Nach Angaben von Gottschalk ist das Rentner-Ehepaar keine Ausnahme. "Der Trend geht dahin, die Vergabe des Ratenkredits an den Abschluss einer teuren Zusatzversicherung zu koppeln. In letzter Zeit werden dabei auch gerne Arbeitsunfähigkeitsversicherungen vermittelt", sagt Gottschalk.

Nach Angaben von Professor Udo Reifner, Chef des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen, machten bislang vor allem auf das Kreditgeschäft spezialisierte Institute wie die CC-Bank und die Citibank die Vergabe eines Konsumentenkredits vom Abschluss einer Restschuldversicherung abhängig. "Jetzt gehen aber auch mehr und mehr Geschäftsbanken und Sparkassen dazu über, in dieses lukrative Geschäft einzusteigen", sagt Reifner.

Bei der Citibank und der CC-Bank heißt es, die Kunden könnten selbst entscheiden, ob und in welcher Form sie eine zusätzliche Absicherung in Anspruch nehmen wollten. Eine Sprecherin der CC-Bank bezeichnete außerdem den Kreditvertrag des Ehepaares aus Löhne als "sehr bedauerlichen Einzelfall".

Der SZ liegt allerdings ein weiterer Kreditvertrag des Ehepaares mit der CC-Bank vor, ebenfalls aus dem Jahr 2002. Auch hier wurden den beiden Kunden - diesmal von einer anderen Beraterin - vier Zusatzpolicen verkauft.Die Geldinstitute nutzen bei solchen Geschäften eine gesetzliche Grauzone.

Bankenlobby macht Druck

Laut den Erläuterungen zur Preisangabenverordnung muss eine Bank die Kosten für eine Zusatzpolice zur Sicherung von Ratenkrediten nur dann berücksichtigen, wenn das Institut selbst auf den Abschluss pocht. Da sich dies fast nie nachweisen lässt, können die Banken ohne Probleme nur den effektiven Zinssatz für den Ratenkredit angeben.

Beispiel Citibank: Das Institut nennt im Internet einen Zinssatz von 9,39 Prozent bei einem Kreditvolumen von 20000 Euro. Nach Berechnungen von Gottschalk steigt dieser aber - inclusive Zusatzversicherungen - je nach Kredithöhe und Alter des Kunden auf bis zu 24 Prozent.

Die Europäische Kommission will diesem Treiben jetzt Einhalt gebieten: In der geplanten Verbraucherkreditlinie der EU wird vorgeschrieben, dass die Geldinstitute die Kosten für Zusatzversicherungen beim effektiven Jahreszins berücksichtigen müssen.

Das Europäische Parlament hat die umstrittene Richtlinie jedoch - auch auf Druck der Bankenlobby - vorerst gestoppt.

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