Banca Intesa:Die Anti-Unicredit

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Bei der Banca Intesa stimmt alles. Chef Carlo Messina macht vor, wie das Geldgeschäft trotz Niedrigzinsen profitabel sein kann.

Von Ulrike Sauer, Rom

In der Nähe der Mailänder Scala kann man einen Blick in eine heile Bankenwelt werfen. Wer die Vorzeige-Filiale der Banca Intesa betritt, kommt nicht in eine Schalterhalle, sondern steht wie im Hotel in einem einladenden Foyer. Dezenter Raumduft, coole Musik, ein langer Holztisch mit Laptops und Tablets zur freien Verfügung. Es gibt kleine Sofa-Gruppen und ein buntes Veranstaltungsprogramm. Die Leute kommen auf einen Espresso vorbei. "Eines Tages sitzen hier vielleicht Kinder, die Hausaufgaben machen. Wir fördern alles, was uns Einblicke in die Zukunft öffnet", sagt Projektleiter Roberto Battaglia. Ihre Pilotfiliale sehen sie in Mailand als Laboratorium für die Bank von morgen. Bald soll es 1000 von ihnen geben. Und das in einer Zeit, in der überall von einer italienischen Bankenkrise die Rede ist.

Ausgerechnet Carlo Messina, zurückhaltender Chef des führenden italienischen Geldinstituts, meldete sich zu Wort - zwei Tage nachdem die Briten mit ihrem Brexit-Votum Italiens Finanzbranche in die Knie gezwungen hatten, sagte er: "Wir haben eine einzigartige Gelegenheit, eine Phase der Unsicherheit in eine große Wachstumschance zu verwandeln." Hinter ihm lag gerade der schwarze Freitag, an dem die Mailänder Börse knapp 13 Prozent ihres Werts verlor. Es war der tiefste Kurssturz aller Zeiten. Schlimmer als am Tag der Lehman-Pleite, schlimmer als nach dem Terroranschlag am 11. September. Die Aktien der Geldhäuser fielen gar um 20 Prozent. Nun kam Messina, der Banker im Glück, und sprach von der einmaligen Gelegenheit.

Man staunte. Italien entwickelt sich ja angeblich wieder zum Krisenland in Europa. Da erlaubt es sich der Intesa-Chef, die Sache positiv zu sehen. "Es gibt Phasen im Leben, in denen man auf Angriff spielen muss, man ist gezwungen zu siegen, um nicht zu verlieren", sagt Messina im Interview mit der Finanzzeitung Il Sole 24 Ore. Das klingt nach Fußballer-Plattitüden, ist aber gelebte Bankerfahrung.

2011, als Italien am Abgrund der Staatspleite taumelte, reagierte Intesa offensiv. Man habe hart an sich gearbeitet, den Kunden in den Mittelpunkt gerückt, das Kapital um fünf Milliarden Euro aufgestockt und kühne Pläne geschmiedet, berichtete Messina vor einem halben Jahr. Nun trumpft er auf: "Heute sind wir die stärkste Bank in Europa beim Kapital, der Effizienz und der Ertragsstärke." Die Prahlerei ist fundiert. Am Freitag, wenn Europas Bankenaufsicht die Ergebnisse des Stresstest vorlegt, wird Banca Intesa glänzen. Sie wird wohl als eine der Klassenbesten abschneiden. Indiskretionen zufolge ist der Konzern so gut gepolstert, dass die Eigenkapitalquote selbst in einer extremen Stresssituation fast doppelt so hoch wäre wie der verlangte Mindestwert von 5,5 Prozent, den die Aufseher vor zwei Jahren festgesetzt hatten. Dieses Mal verzichteten sie auf Vorgaben. Fest steht: Die Mailänder sind ein Vorbild für den Kontinent.

Der Konzern reagierte schneller als die Konkurrenten auf Krisen

So hat Messina, 53, gut reden. Seine Bank, die aus der Fusion von 17 Geldinstituten hervorgegangen ist, wird die Geschäftsziele vorzeitig erreichen. Die Kernkapitalquote stieg von 5,9 Prozent 2007 auf 13,1 Prozent. Im ersten Quartal dieses Jahres übertraf der Profit mit 806 Millionen Euro die Gewinnerwartung der Analysten. Mit 13,1 Prozent Nettokapitalrendite ist Intesa die profitabelste Bank der Euro-Zone. Messina, der im September 2013 antrat, will die Aktionäre 2016 mit einer Dividende in Höhe von drei Milliarden Euro belohnen. Auch das Europa-Rekord.

Die Stärke verdankt der Konzern seinem Reaktionsvermögen. Als eine der ersten Banken stellte sich Intesa darauf ein, dass sich die Finanzwelt tief greifend verändert hat. Sie kam so der Krise und Wettbewerbern wie der Rivalin Unicredit zuvor. Sie nahm Kapital auf, als das noch zu günstigen Bedingungen möglich war. Der Umsatzanteil der Provisionen wurde stark angehoben. Man fand so zu einem ausgewogenen Geschäftsmodell, das in einer Zeit der Niedrigzinsen die Ertragskraft stützt. Trotz eines Überhangs von 4500 Stellen wurde niemand entlassen. Dies sei der größte Erfolg der Bank, sagt Messina. Statt Stellen abzubauen, wurden das Angebot ausgeweitet, die Öffnungszeiten ausgedehnt. Es entstand der Immobilienableger Intesa Casa mit 13 Niederlassungen. Gleichzeitig verkleinerte man das Filialnetz.

Bitter ist, dass auch Intesa der Entwertung der italienischen Banken nicht entkam. Der Aktienkurs ist im vergangenen Jahr um 45 Prozent gefallen. Der Börsenwert schmolz auf 32 Milliarden zusammen. Intesa musste die Lasten der Abwicklung von Pleite-Banken mittragen und eine Milliarde Euro in Italiens privaten Rettungsfonds Atlas überweisen. Dafür wurde sie dann auch noch von den Anlegern abgestraft. Die erzwungene Solidarität könnte auch gesunde Banken schwächen, argumentieren Investoren.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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