Bahnstreiks:Bahn zwingt Lokführer zu Sonderschichten

Lesezeit: 2 min

Die Bahntochter Raillon verdonnert Streikende in Bayern zum Nachholdienst am Wochenende.

Manfred Hummel

Offenbar übt die Bahn-Tochter Railion in Bayern massiven Druck auf streikende Lokführer der GDL im Güterverkehr aus. Sie werden laut Gewerkschaft an den Streiktagen nicht nur von Dienstgebäuden und Lokomotiven ausgesperrt, sondern auch von den Dienstplänen gestrichen und nach Hause geschickt.

Noch stehen alle Signale auf Rot im Lokführerstreik (Foto: Foto: dpa)

An ihren planmäßigen Ruhetagen am folgenden Wochenende müssen sie dann zu Sonderschichten antreten, um die liegen gebliebenen Züge "aufzuräumen". Der SZ liegt eine solche Dienstverpflichtung der Railion Logistics in Würzburg vor, die einen Lokführer dazu verdonnert, am kommenden Samstag zum Dienst anzutreten.

Begründet wird das Vorgehen mit dem Paragraphen 14 des Arbeitszeitgesetzes. Bei Vorliegen eines Eil- oder Notfalls setzt er die Schutzbestimmungen des Gesetzes außer Kraft und verpflichtet die Mitarbeiter zur Arbeitsleistung. "Man stelle sich vor, in einem bestreikten Betrieb würde am Donnerstag und Freitag ein Arbeitskampf durchgeführt.

Der Arbeitgeber schickt die Beschäftigten an beiden Tagen nach Hause und verlangt, sie müssten nun am Samstag und Sonntag zur Arbeit erscheinen und diese nachholen", umschreibt ein Gewerkschafter die Praxis der Bahn.

Bei Nichterscheinen werden den Beschäftigten arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht, von der Abmahnung bis hin zur Kündigung. Zu einem besonderen Härtefall führte dieses Vorgehen in Ingolstadt. Dort hatte ein Lokführer eigens das Wochenende freigenommen, um seine frisch operierte Frau zu pflegen und sich um das gemeinsame Kleinkind zu kümmern.

Schicht trotz OP

Der OP-Termin war deshalb auf den Freitag gelegt worden. Der Mann hatte das auch seinem Arbeitgeber erklärt. Trotzdem habe die Bahn auf die Extra-Schichten bestanden. "Der Planer ist persönlich in der Lokleitung aufgetaucht und hat darauf bestanden, dass der Mann arbeitet", sagt GDL-Pressesprecher Uwe Ulrich.

Der Lokführer sei aber trotz der Drohungen nicht zum Dienst erschienen. Was die Bahn gegen ihn unternommen hat, ist bislang nicht bekannt.

Fälle von Dienstverpflichtungen, insgesamt sollen es sieben sein, gab es auch in Regensburg, Nürnberg und Würzburg. Einige Lokführer hätten aus Angst um ihren Job die Zusatzschichten angetreten, andere hätten sich geweigert.

Die GDL verurteilt dieses Vorgehen der Bahn auf das Allerschärfste. "Das ist eine Maßregelung von Kollegen, die ihre Grundrechte wahrnehmen", sagte Sprecher Ulrich. Es konterkariere auch die Streikmaßnahmen.

Tätig werden will jetzt nach GDL-Angaben der Railion-Betriebsrat in München. Die Aktion lief an ihm vorbei, weil das Gesetz in Eil- und Notfällen dessen Mitbestimmung nicht vorsieht.

GDL bekommt Zulauf

Ein Bahn-Sprecher nannte das Vorgehen nach Paragraph 14 des Arbeitszeitgesetzes einen ganz normalen Vorgang. Wenn triftige Gründe vorlägen, die Sonderschicht nicht anzutreten, werde man eine einvernehmliche Lösung finden.

Wer allerdings keinen Verhinderungsgrund nenne, der werde zum Dienst herangezogen. Unterdessen verzeichnet die GDL einen Zulauf an neuen Mitgliedern, ohne aber genauere Zahlen zu nennen.

"Die Kollegen kommen zu uns, weil sie gesehen haben, dass hier etwas für ihre Interessen getan wird." Neue Mitglieder kämen von Transnet oder seien bisher nicht organisiert gewesen.

© SZ vom 15.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: