Bahn-Streik:Reif für die Kur

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Eisenbahner und Gewerkschafter aus Passion: Manfred Schell gibt im Tarifkampf mit Bahn-Chef Mehdorn nicht klein bei.

N.Bovensiepen, D.Esslinger und C. Hickmann

Manfred Schell ist einer jener selten gewordenen Gewerkschafter, die das Ethos des Arbeiters noch wie eine Monstranz vor sich hertragen. Seit mehr als 50 Jahren stehe er im Beruf, berichtet der Vorsitzende der GDL am Freitag, nicht einen Tag sei er arbeitslos gewesen, dieses Jahr habe er sich erstmals eine Kur gönnen wollen. Zweimal schon hat er sie verschieben müssen, doch als man ihm schließlich den 16. Oktober als neuen Termin vorschlug, war er zuversichtlich. "Bis dahin ist der Käse dreimal gegessen", sagte er sich. Und meldete sich für den 16. Oktober an.

Überzeugter Gewerkschafter: GDL-Boss Manfred Schell. (Foto: Foto: ddp)

Der 16. ist der kommende Dienstag, doch sieht es momentan nicht danach aus, als sei der Käse bis dahin auch nur einmal gegessen. Bis Montag erwartet Manfred Schell ein "tragbares Angebot'' des Arbeitgebers, sagt er. Auf die Frage, was er darunter verstehe, verweist er auf das Ergebnis der Vermittlung von Ende August. Seine Position ist unverändert geblieben: Schell will für die Lokführer einen eigenen Tarifvertrag, und nichts anderes.

Frostiger Abend

Am Ende wird Schell so oder so reif für die Kur sein. Das Spitzentreffen am Donnerstagabend im Berliner Bahntower war allein schon anstrengend genug. Auf der einen Seite des Tisches hatten drei Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums der Bahn Platz genommen: der Vorsitzende Werner Müller, sein Vize Norbert Hansen (zugleich Chef der GDL-Konkurrenz Transnet) sowie Jörg Hennerkes, der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Müller hatte sowohl Bahnchef Hartmut Mehdorn als auch Schell zugestanden, zur Unterstützung jeweils noch einen Kollegen mitzubringen.

Mehdorn nahm das Angebot an, Schell nicht - so dass sich auf der einen Seite des Tisches folgende Sitzordnung ergab: Bahn-Personalchefin Margret Suckale, Mehdorn, ein Stuhl frei, Schell. Es muss anfangs mehr als frostig gewesen sein - "eins unter Tundra", wie am Freitag zu hören ist.

Gespräche auf der Kippe

Der frühzeitig bekannt gewordene Streikaufruf war der Atmosphäre nicht besonders zuträglich, heißt es in Teilnehmerkreisen. "Das war ein Affront für den Aufsichtsratschef." Müller ließ den Gewerkschafter dann trotzdem viel reden, während Mehdorn relativ schweigsam blieb.

Die ersten zwei Stunden stand das Gespräch mehrmals kurz vor dem Abbruch, doch schließlich raufte man sich zusammen. Ein Teilnehmer will sogar eine gewisse "Wärme" festgestellt haben. Kurz vor 20 Uhr war man sich zumindest insoweit einig, dass Müller seinen Job an diesem Abend für erledigt betrachtete. Da er einen Anschlusstermin hatte, brach er auf und ließ die fünf anderen noch ein paar Minuten unter sich sein.

Neues Angebot am Montag

Das Ergebnis besteht nun nicht nur darin, dass die Bahn am Montag der GDL ihr Angebot präsentieren will - sondern auch darin, dass die GDL mit der Tarifgemeinschaft aus Transnet und der dritten Eisenbahngewerkschaft GDBA verhandelt.

Diese Verhandlungen sind deshalb wichtig, weil die Bahn bei der Tarifgemeinschaft im Wort steht: Sie darf der GDL in einem eigenständigen Tarifvertrag für die Lokführer nichts zukommen lassen, was sie der Tarifgemeinschaft für die anderen Bahn-Beschäftigten verweigert hat - andernfalls dürfen Transnet und GDBA den Tarifvertrag von Anfang Juli kündigen.

Kostenloses Zugeständnis

Der GDL wird für die Gespräche mit ihren beiden Konkurrenten die "Verhandlungsführerschaft" zugestanden - ein Zugeständnis, das niemanden etwas kostet, mit dem GDL-Chef Schell aber hofiert wird. Bis zum 31. Oktober will man es nun zu Ende gebracht haben. Schell versicherte am Donnerstagabend, bis dahin von Streiks abzusehen.

Dass er am Freitag schon wieder etwas anderes sagt, wird im Aufsichtsrat der Bahn nicht unbedingt zum Nennwert genommen. Der GDL-Chef erklärt in Frankfurt in seiner Pressekonferenz, sollte das Angebot der Bahn "ungenügend" ausfallen, könne es schon von Mittwoch an wieder zu Streiks kommen. Schell steht schließlich unter hohem Erwartungsdruck seiner Mitglieder. Ihm wird zugestanden, dass er auch öffentlich noch einmal klarmachen muss, wie dringlich ein Angebot für einen eigenständigen Lokführer-Vertrag nun ist.

Von seiner Kur hat Schell sich übrigens noch nicht ganz verabschiedet. Es sei "weiterhin geplant", dass er sie am Dienstag antritt, heißt es bei der GDL. Darauf verlassen könne man sich aber nicht.

© SZ vom 13.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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