Bahn-Privatisierung in Großbritannien:Der Traum vom Staats-Express

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Die Deutsche Bahn bekommt auf den Regionalstrecken den Wettbewerb seitens privater Anbieter zu spüren. Doch dass Konkurrenz die Geschäfte nicht zwingend zu Gunsten der Kunden belebt, zeigt der Blick nach Großbritannien.

Caroline Daamen

Das schlechte Image scheint hausgemacht: ein schwer durchschaubares und unflexibles Buchungssystem, überforderte Mitarbeiter und hohe Preise. Hat der hartnäckige Kunde das Ticket endlich in der Hand, geht das Abenteuer Bahnfahrt allerdings häufig erst los.

Denn zu Stoßzeiten sind die oft wenig komfortablen Abteile gerne überfüllt und regelmäßig zu spät. Oder es werden kurzerhand ganze Züge gestrichen - Endstation Bahngleis. Die Rede ist hier nicht etwa vom vielgescholtenen System der Deutschen Bahn (DB), sondern vielmehr vom traurigen Bild britischer Bahn-Realität sieben Jahre nach Beginn der offiziellen Privatisierung des Bahnbetriebs.

Dass die Privatisierung der Bahnstrecken auch hierzulande voranschreitet, ist im Dauerkonflikt um "Plan und Spar" und Bahncardtarife etwas in den Hintergrund getreten. Doch kaum ist die Preisreform durch, widmet sich die DB dem Konkurrenzkampf auf den Gleisen.

Ins Visier des Staastbetriebes ist dabei die private Anbieterin Connex geraten, deren Tochter Nord-Ostsee-Bahn (NOB) vom Land Schleswig-Holstein den Zuschlag für die Strecke Hamburg-Westerland (Sylt) bekommen hat. Sehr zum Missfallen der DB, die vom privaten Wettbewerber schlicht unterboten wurde.

Der Einwand der DB: Dem kleinen Konkurrenten fehle es an der erforderlichen Zuverlässigkeit sowie der nötigen finanziellen Absicherung. Das könnte man leicht als Überheblichkeit des unterlegenen Staatsunternehmens abtun. Ein kurzer Blick nach Großbritannien mag da jedoch als kleine Warnung dienen.

Briten wünschen sich Staatsbetrieb zurück

Dort wurde der Bahnbetrieb bereits 1996 privatisiert - und die Briten wünschen sich sehnlichst das alte System einer rein staatlich getragenen Bahn zurück, so der Guardian.

Der Grund: Insgesamt 25 private Gesellschaften und Franchisenehmer machen ein einheitliches und für den Kunden übersichtliches Preissystem unmöglich, von Koordination und Pünktlichkeit der Züge ganz zu schweigen.

Erst in der Vorwoche musste Premierminister Blair in der üblichen Fragestunde gegenüber Oppositionsführer Iain Duncan Smith einräumen, dass sich die Pünktlichkeit der Züge in den vergangenen Jahren nicht etwa verbessert, sondern weiter verschlechtert habe.

Da passt das Desaster um das Privat-Unternehmen Railtrack, das als Monopolist über das britische Streckennetz für die Kontrolle der Bahninfrastruktur zuständig war, sehr gut ins Bild. Nur durch ständigen Zuschuss von Steuermitteln konnte der Bahnbetrieb auf der Insel aufrecht erhalten werden — und so wurde Railtrack auf Betreiben der Labour-Regierung Ende 2002 in die gemeinnützige Gesellschaft Network Rail umgewandelt.

Unter dem neuen Management soll nun alles besser werden. Doch eben jener Railtrack-Nachfolger ließ nun wissen, dass sich die leidgeprüften britischen Bahnfahrer mindestens noch bis 2010 gedulden müssten, bevor eine flächendeckende Pünktlichkeit der Züge wieder zu erwarten sei.

Connex in den Schlagzeilen

Auch der Name Connex geriet Ende Juni auf der Insel in die Schlagzeilen. Wie BBC und Guardian meldeten, kündigte die Strategic Rail Authority (SRA, eine Art Aufsichts- und Regulierungsbehörde) Connex South Eastern den laufenden Franchisevertrag für wichtige Strecken in den Grafschaften Kent und Sussex auf, die jährlich bis zu 132 Millionen Bahnfahrer nutzen.

Nachdem die SRA Ende letzten Jahres 58 Millionen britische Pfund an Födermitteln für Connex bereitgestellt hatte, waren vermehrt Zweifel am Finanzmanagement des Unternehmens aufgekommen — da Connex kürzlich um eine weitere Finanzspritze in Höhe von 200 Millionen Pfund gebeten hatte. Hinzu kamen laut BBC Beschwerden über Verspätungen, Annullierungen von Zügen, ständig überfüllte Abteile oder gar Flohbefall der Waggons.

So hat die SRA die Notbremse gezogen und führt die Geschäfte der Connex South Eastern über eine eigens gegründete Gesellschaft ab Ende des Jahres weiter, bevor ein weiterer Privatanbieter Ende 2004 sein Glück versuchen darf.

Denn so sehr sich die zahlende Kundschaft die öffentliche British Rail wieder herbei wünscht - die britische Regierung setzt weiter auf Privatisierung.

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