Bahn-Konflikt:"Die Lokführer müssen den Streik durchziehen"

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Die Ärzte haben ihn längst: einen eigenen Tarifvertrag. Der Chef der Ärzte-Gewerkschaft, Montgomery, gibt den Lokführern Tipps im Bahnkonflikt.

Ansgar Siemens

Die Fronten sind hart im Tarifkonflikt bei der Bahn: Die Lokführergewerkschaft GDL fordert seit Monaten 31 Prozent mehr Lohn plus eigenen Tarifvertrag. Die Bahn blockt ab. Am Donnerstag treffen sich beide Seiten erneut - zu einem "Friedensgespräch", moderiert von Werner Müller, dem Aufsichtsratschef der Bahn.

Frank Ulrich Montgomery rät GDL-Chef Manfred Schell, Härte zu zeigen. "Die GDL muss ihren Streik jetzt durchziehen", sagt Montgomery, Chef der Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund zu sueddeutsche.de. "Schell sollte die Streiks nur unterbrechen, wenn ein vernünftiges Angebot auf dem Tisch liegt." Verhandlungen ohne verbessertes Angebot könnten parallel zum Ausstand geführt werden.

Erfolg im Sommer 2006

Die Offerte von Bahnchef Mehdorn - zehn Prozent mehr Geld, zugleich mehr Arbeit - sei nicht akzeptabel. "Es kann nicht sein, dass die Lokführer ihre Gehaltserhöhung selbst finanzieren."

Montgomery, 55, weiß, wovon er spricht: Vor fast zwei Jahren führte der Hamburger Radiologe den Marburger Bund in einen erbitterten Kampf gegen Länder und Kommunen.

Ähnlich wie GDL-Chef Schell focht Montgomery mit Verve um einen Tarifvertrag für eine kleine Elite - und hatte damit im Sommer 2006 Erfolg. Vorausgegangen waren wochenlange Streiks in etlichen Krankenhäusern.

Im Gespräch mit sueddeutsche.de spricht Montgomery von klaren Parallelen zwischen Lokführern und Ärzten: "Ohne Ärzte verkommen Krankenhäuser zu Pflegeheimen, ohne Lokführer fahren keine Züge."

Das Ansinnen der GDL sei "vollkommen in Ordnung", sagt Montgomery. Ähnlich wie die Ärzte damals müssten die Lokführer unter der "Gleichmacherei" großer Gewerkschaften leiden.

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, warum ein rauer Ton im Tarifkonflikt sein muss.

Klinikärzte hätten, vertreten von der Gewerkschaft Verdi, binnen zehn Jahren netto 7,5 Prozent Gehalt verloren - während anderes Personal sechs Prozent mehr im Portemonnaie gehabt habe.

Wie der Marburger Bund, der sich von Verdi löste, setzte die GDL sich von großen Gewerkschaften ab: von Transnet und GDBA. Beide hatten vor wenigen Monaten ein einheitliches Lohnplus von 4,5 Prozent für das Gros der Bahn-Mitarbeiter verhandelt.

Der raue Ton im Bahnkonflikt, sagt Montgomery, sei nicht außergewöhnlich. "Man braucht diese Scharmützel, um die Kooperationsbereitschaft zu wecken." Montgomery stritt sich damals mit Hartmut Möllring, CDU-Finanzminister in Niedersachsen und Verhandlungsführer der Länder und Kommunen als Arbeitgeber.

Die Menschen müssen die Lokführer verstehen

"Möllring hat wie Mehdorn gesagt: Einen eigenen Tarifvertrag wird es nie geben", erinnert sich der Arzt. Dieses Wortgeklingel gehöre zum Tarifkampf. Ebenso wie die hohen Lohnforderungen, die mit Absicht zu hoch gegriffen seien.

Der Marburger Bund erstritt im vorigen Jahr 20 Prozent mehr Lohn für Oberärzte an Kliniken - gefordert waren 30 Prozent. "Wir haben selbst nicht an die 30 Prozent geglaubt, aber man braucht die Provokation", sagt Montgomery.

Wichtig für GDL-Chef Schell sei, sagt Montgomery, die Rückendeckung der Deutschen nicht zu verlieren. Beim Tarifkonflikt des Marburger Bundes seien die Menschen nach einem halben Jahr irritiert gewesen - "es war das Signal, dass wir zu einem Abschluss kommen mussten", sagt Montgomery. Einer aktuellen Umfrage zufolge, unterstützt derzeit die Mehrheit der Deutschen die Lokführer.

Der Ärztefunktionär empfiehlt GDL-Chef Schell, hart zu bleiben bei der Frage nach einem eigenen Tarifvertrag - und bereit zum Kompromiss bei der Forderung nach mehr Lohn. "31 Prozent mehr wird die GDL nicht bekommen."

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