Bahn:Die Streichliste wird immer länger

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In der Verkehrspolitik zeichnet sich eine Wende zu Lasten der Deutschen Bahn ab.

bry/o.k.

(SZ vom 17.12.2003) — Die Bahn (DB) muss voraussichtlich nicht nur den Ausbau des Schienennetzes um etliche Jahre verschieben, sondern mangels Geld auch noch darauf verzichten, vorhandene Strecken zu modernisieren.

Die Bundesregierung und die Länder erwägen, zur Finanzierung der Steuerreform die Mittel für die Bahn noch stärker zu kürzen, als ohnehin geplant. Der Straßenbau ist von diesen Streichplänen nicht betroffen.

"Das ist für die Verkehrspolitik eine Katastrophe", sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Reinhard Weis.

Die Gleichbehandlung von Straße und Schiene, im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen festgeschrieben, werde verletzt, kritisierte der Abgeordnete.

1,1 Milliarden Euro weniger

Nach den derzeit in der Bundesregierung diskutierten Plänen soll die Bahn wegen der generellen Sparmaßnahmen, der fehlenden Erlöse aus der Lkw-Maut und der Steuerreform im nächsten Jahr nur noch 3,15 Milliarden Euro für das Schienennetz erhalten.

Das wären 1,1 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. Das Mautdesaster berührt allerdings auch den Ausbau der Bundesstraßen und Autobahnen; dort fehlen bislang 685 Millionen Euro.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz, die Bahngewerkschaft Transnet und der Fahrgastverband Pro Bahn befürchten einen ökologischen Rückschlag. Der Autoverkehr werde zunehmen, falls die Mängel und Engpässe im Schienennetz nicht beseitigt würden und viele Züge deshalb unpünktlich seien.

Die DB hat intern bereits aufgelistet, welche Strecken entgegen den bisherigen Planungen einstweilen nicht modernisiert werden könnten. Dazu zählen wichtige Verbindungen wie Kiel-Lübeck, das Berliner Südkreuz und ein Teil der S-Bahn im Raum Stuttgart sowie Nebenstrecken, etwa Murnau-Oberammergau oder Lindau-Friedrichshafen.

Auf der Streichliste stehen auch vier elektronische Stellwerke. Ausbauvorhaben wie Berlin-Rostock, Leipzig-Dresden oder Karlsruhe-Basel sind bereits wegen der fehlenden Maut-Erlöse gefährdet.

Glimpflicher sind die Länder davon gekommen, die für ihre Regionalzüge und S-Bahnen fast sieben Milliarden Euro pro Jahr vom Bund erhalten. Diese Mittel sollen im nächsten Jahr zwar um zwei Prozent oder 140 Millionen Euro gekürzt werden.

Da der Nahverkehrsetat laut geltendem Recht aber andererseits um 1,5 Prozent pro Jahr erhöht wird, verbleibt unter dem Strich nur eine minimale Kürzung. "Das ist nicht weiter tragisch", sagte der Verkehrsexperte der Grünen, Albert Schmidt.

Schließlich könnten die Länder noch mehr Wettbewerb auf der Schiene zulassen. Mit Privatbahnen ließen sich die Kosten im Regionalverkehr spürbar drücken, bei einzelnen Streckenausschreibungen um 20 bis 25 Prozent.

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