Bahn-Chefs:Lieber nach Senegal

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Im Pariser Ostbahnhof sollte auf die Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Nachbarn angestoßen werden. Doch die wichtigen Gäste fehlten. (Foto: imago/Stephane Lemouton)

Der Bahn-Chef Richard Lutz will mit seinem Pendant vom französischen SNCF-Konzern feiern - und wird unsanft versetzt. Guillaume Pepy muss unerwartet verreisen.

Von Leo Klimm

Guillaume Pepy ist ein Charmeur wie er im Buche steht. Einer, der mit Schmeichelworten und treuem Blick für sich einzunehmen weiß. Daher dürfte er wenig Mühe haben, den Ärger von Richard Lutz zu vertreiben, wenn er den Chef der Deutschen Bahn (DB) demnächst doch trifft. Sollte Lutz dem Kollegen, seines Zeichens Chef der französischen Bahn SNCF, denn böse sein wegen dem, was man in Pepys Sprache einen Affront nennen würde - und auf Deutsch eine Unverschämtheit.

Es ist nämlich so, dass Pepy diese Woche sein erstes Treffen mit Lutz als neuem Deutsche-Bahn-Chef auf durchaus uncharmante Art platzen ließ. Es sollte ein schöner Termin in Paris sein, die Feier zum zehnjährigen Jubiläum der erfolgreichen Gemeinschaftsfirma von DB und SNCF, die Hochgeschwindigkeitszüge von Stuttgart und Frankfurt nach Paris betreibt. Das Unternehmen nimmt in gewisser Weise die "neue Dynamik" vorweg, die Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron so gern zwischen Deutschland und Frankreich entstehen lassen möchten.

Die Bahn spendierte zum Fest einen neuen ICE, um ihn in Paris auf den Namen der Seine-Metropole zu taufen. Der persönliche Austausch zwischen Lutz und Pepy wiederum hat seine Wichtigkeit für das Verhältnis der zwei größten Bahnkonzerne Europas, das von Kooperation und Rivalität zugleich geprägt ist. Doch dann erleben die Deutschen jene französische Flatterhaftigkeit, mit der im Geschäftsleben wie in der Politik immer zu rechnen ist.

Was ist passiert? Es ist nachts, als Lutz sehr kurzfristig eine Nachricht von Pepy ereilt: Leider, leider, müsse er unerwartet und ganz dringend weg - nach Senegal. Pepy soll in seiner Nachricht keinen Zweifel lassen, wie unangenehm ihm die Last-Minute-Absage sei. Aber: Er muss! Darauf beschließt Lutz, seine Teilnahme ebenfalls abzusagen. Ohne sein Pendant in Paris aufzutreten, ist für ihn keine Option.

Die Hintergründe des ach so wichtigen Afrika-Trips Pepys erklärt dessen Vize Patrick Jeantet so: "Er wurde vom senegalesischen Premierminister eiligst nach Dakar gerufen." Dort gehe es um ein S-Bahn-Vorhaben, an dem SNCF sehr interessiert sei. "Das ist ein wichtiges Projekt für uns." Offensichtlich wichtiger, im Augenblick zumindest, als der Hochgeschwindigkeitsverkehr mit Nachbar Deutschland.

Damit ist die Sache aber noch nicht verkorkst genug. Auch vor dem Abendempfang, den der deutsche Botschafter in Paris zu dem feierlichen Anlass gibt, kommt es zu "Verwerfungen", wie ein Beteiligter es ausdrückt. Denn in den Tagen vor dem Empfang werden viele Gäste von den beiden Bahnkonzernen mittels hochnotpeinlicher Anrufe wieder ausgeladen, darunter Journalisten. Einem Insider zufolge soll Pepys Stab gedroht haben, der in Frankreich zurzeit unter Druck stehende SNCF-Chef werde den Empfang boykottieren, wenn Presse dabei sei. Diese Darstellung wird von SNCF zurückgewiesen. Am Ende jedenfalls ist bei dem umstrittenen Empfang kein Journalist anwesend. Pepy aber auch nicht. Er ist ja in Senegal.

Allem Ungemach zum Trotz lassen sich die Vertreter der Deutschen Bahn, die dann eben ohne Chef angereist sind, nichts anmerken. Sie machen gute Miene. Wollen trotzdem feiern, hoch über dem Pariser Ostbahnhof, in einer schicken Roof-Top-Bar, die man früher Dachterrasse genannt hätte. Schließlich sind die Verbindungen von ICEs und französischen TGV-Zügen ein ziemlicher Erfolg: Die Fahrzeit zwischen Frankfurt und Paris wurde von sechseinhalb auf weniger als vier Stunden verkürzt. Die Zahl der Fahrgäste auf den bedienten Strecken stieg binnen zehn Jahren um 60 Prozent. Bei den Kunden klappt er ganz gut, der deutsch-französische Austausch.

Der neue ICE wird dann auch noch getauft. Die Bürgermeisterin von Paris sagt ihre Teilnahme an der Ehrbekundung der Deutschen für ihre Stadt zwar ebenfalls kurzfristig ab. DB-Managerin Birgit Bohle gibt sich dennoch die Mühe, ihren kapriziösen Gastgebern in französischer Sprache zu danken. Der ICE Paris sei ein "großes Symbol für die Verbindung zwischen unseren Unternehmen und Ländern", sagt sie. Und SNCF-Vize Jeantet beteuert: "Einen ICE in Paris zu taufen, ist ein Freundschaftsbeweis, den wir zu schätzen wissen." Nach all den warmen Worten wird der Zug mit Champagner begossen. Auch der ist warm. So sehr, dass manchem Gast irgendwie nicht danach ist.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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