Bahn-Börsengang:Die Mission des Thilo S.

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Wie ein Berliner Finanzsenator gegen die Börsenpläne wettert - und damit zur Hassfigur für Konzernchef Mehdorn wird.

Von M. Bauchmüller und P. Grassmann

Am Donnerstag war das Maß voll. Bahn-Finanzchef Diethelm Sack - sonst eher Typ moderate Tonlage - öffnete alle Ventile. Er sei, leitete er ein, "immer wieder erstaunt, mit welchen Thesen man als Finanzexperte dastehen kann". Gemeint, ganz klar, war Thilo Sarrazin, SPD-Finanzsenator in Berlin, einer der härtesten Kritiker des geplanten Börsenganges. Der Senator, so Sack, veranstalte mit seiner Agitation "die Sarrazinsche Märchenstunde", inklusive "übelster Gaukelei" und "absolutem Blödsinn".

Berlins Finanzchef Thilo Sarrazin bekämpft hartnäckig den geplanten Börsengang der Bahn. (Foto: Foto: AP)

Sarrazin selbst hat an der Feindschaft hartnäckig gearbeitet. Seit Monaten kämpft er mit allen Mitteln gegen einen Börsengang, bei dem die Bahn ihr Netz behielte - so wie es Bahnchef Hartmut Mehdorn will. Er gibt Interviews, schreibt Gastbeiträge, rechnet milliardenhohe Lasten vor. Neuerdings tritt er als Gutachter für die sogenannte "Volksaktie" auf, mit der die SPD-Linke dem Projekt eine neue Wendung geben soll - obwohl Thilo Sarrazin nun ganz bestimmt kein Linker ist.

Seine Situation sei eben ganz praktisch in der Causa Bahn, räumt er selber ein. "Ich habe ein Amt, in dem ich einerseits öffentlich gehört werde, andererseits aber für diese Entscheidung unzuständig bin wie nur was." Das macht unbefangen.

Alles andere als erste Wahl

Am Donnerstag, kurz vor der öffentlichen Kritik aus dem Bahn-Tower, war Sarrazin wieder unterwegs in Sachen Bahn. Diesmal hatten Nahverkehrsverbünde der Länder sich zusammengefunden. Sie fürchten, künftig mehr für die Nutzung der Schienen zahlen zu müssen, sollte diese im Besitz der Gleisanlagen bleiben. Der Gastredner? Ja klar: Finanzsenator Thilo S. Ziel müsse es sein, so führte er aus, eine Mehrheit "gegen das Modell des Bundes zu organisieren, das ja in der Tat absurd ist". Genau diesem Zweck könne die Volksaktie dienen, bei der nicht Investoren, sondern Kleinaktionäre in die Bahn einstiegen, und zwar mit Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, aber mit Garantiedividende. "Das Modell ist nicht meine erste Wahl", gesteht Sarrazin. So aber sei der Verkauf von Bahnanteilen "möglichst unschädlich".

Bei der Bahn schrillen alle Alarmglocken. Das Modell könnte immerhin den SPD-Parteitag Ende Oktober begeistern, damit wäre das Mehdornsche Modell zumindest in Teilen gestorben. Denn der Bund behielte volles Mitspracherecht - schließlich erhalten die Bürger ja keines. Die Empörung des Bahn-Finanzvorstands war deshalb wohl nicht gespielt, als er am Donnerstag verkündete, es handele sich bei der Volksaktie "um ein unausgegorenes Konstrukt". Eine gewisse Nervosität schwingt da zweifellos mit.

Rückhalt aus der Industrie

Zumal Sarrazin nun für die Volksaktie Rückendeckung von ungewohnter Seite bekommt: vom Industrieverband BDI. Klar, das Modell sei ein Kompromiss, sagt BDI-Co-Geschäftsführer Carsten Kreklau. "Es ermöglicht die Privatisierung des Unternehmens, bietet aber zudem einige interessante Vorzüge: Der Bund könnte seiner Infrastrukturverantwortung direkter gerecht werden." Auch bleibe, anders als im Regierungsentwurf, die "Chance erhalten, das Eisenbahnsystem strategisch weiterzuentwickeln." Damit wirbt auch Sarrazin: Denn mit der Volksaktie könnte der Bund später immer noch Teile des Unternehmens abspalten und verkaufen - allein der Gedanke dürfte Bahnchef Hartmut Mehdorn auf die Palme bringen.

Die Fehde zwischen Sarrazin und dem gesamten Bahn-Vorstand hat Geschichte. Sarrazin war bis Ende 2001 selbst Bahn-Manager, damals verantwortlich für das Netz. Das Unternehmen verließ er im Zwist mit Mehdorn. Doch die intimen Kenntnisse der Bahn, die Kontakte zu Mitarbeitern und Ministerialen und den Ärger über Mehdorn nahm er damals mit in den Berliner Senat. Als Sarrazin im vergangenen Jahr vor Bundestagsabgeordneten für eine Zerschlagung der Bahn warb, erhielt Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Post - von Mehdorn.

"Dieser Vorgang hat meine Vorstandskollegen und mich tief erschüttert und enttäuscht", schrieb Mehdorn, um dann deutlich zu drohen: "Keine der Einzelgesellschaften, in die er die DB AG zerlegen will, hat ihren Sitz in Berlin." Doch ohne Erfolg: Wowereit zählt zu den sichersten Verbündeten Sarrazins. Denn Sarrazin hat seit seinem Amtsantritt 2002 in der Hauptstadt einen beinharten Sparkurs durchgesetzt, anfangs gegen große Widerstände auch in der rot-roten Koalition, aber immer mit Unterstützung Wowereits. Schon nächstes Jahr soll Berlin keine Schulden mehr machen.

Was nicht heißt, dass Sarrazin in Berlin nur Freunde hat, dafür übertreibt er zu gern. Auf den Fluren der Berliner Verwaltung etwa machte er "bleiche und übelriechende Beamte" aus, der Berliner ist für ihn schlecht gekleidet - nämlich am liebsten im Trainingsanzug. Nur für sein spezielles Verhältnis zur Bahnspitze - da wählt er die ganz subtile Methode.

© SZ vom 14.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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