Bahn-Affäre:Mehdorn verliert den Rückhalt in der Regierung

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Wie lange ist Mehdorn an der Spitze der Bahn noch zu halten? Zunächst hieß es, die Kanzlerin unterstütze ihn - doch der Druck wird offenbar zu groß.

In der Daten-Affäre der Bahn gerät jetzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bedrängnis. Nach Bekanntwerden neuer Vorwürfe gegen den Konzern forderten Gewerkschaften und die Opposition die Kanzlerin auf, Bahn-Chef Hartmut Mehdorn umgehend abzuberufen.

Ob die Kanzlerin und die große Koalition weiter an Hartmut Mehdorn festhalten, ist offen. (Foto: Foto: ddp)

Die Regierung sieht sich angesichts immer neuer Vorwürfe gegen die Bahn inzwischen gezwungen, schneller über personelle Konsequenzen bei der Bahn zu entscheiden als geplant. Ob die Kanzlerin und die große Koalition weiter an Mehdorn festhielten, sei offen, verlautete am Samstag aus Regierungskreisen. Offiziell erhielt der Bahn-Chef nach den Angriffen der Gewerkschaften keine öffentliche Rückendeckung aus der großen Koalition.

Entscheidung schon vor Mai möglich

Die Bahn musste stattdessen weitere Unregelmäßigkeiten einräumen. Während des Lokführerstreiks 2007 sei eine E-Mail der Gewerkschaft GDL mit einem Streikaufruf gelöscht worden, sagte ein Sprecher.

Die E-Mail an Tausende Adressen sei aber nicht herausgefiltert worden, sondern nach einem Serverabsturz entdeckt worden. Da der Streikaufruf aus Sicht der Bahn unrechtmäßig gewesen sei, habe man diesen dann nicht weitergeleitet. Die GDL prüft nun strafrechtliche Schritte gegen Mehdorn und den Bahn-Vorstand wegen Verstoßes gegen das Post- und Fernmeldegesetz.

Die Gewerkschaften kündigten zudem an, den politischen Druck für eine Ablösung Mehdorns weiter zu erhöhen und massenhaft auf die Straße zu gehen. "Zur Not mit ein paar Zehntausend Bahnern, die in Berlin für ein Ende dieses Schauspiels demonstrieren werden", sagte der Chef der Gewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, dem Tagesspiegel am Sonntag laut Vorabbericht.

Mehdorn hatte am Freitag die Rücktrittsforderung aller drei Bahn-Gewerkschaften umgehend abgelehnt. Auch die erst von unabhängigen Prüfern zutage geförderte systematische Kontrolle des E-Mail-Verkehrs der Bahn-Beschäftigten sind nach Ansicht Mehdorns rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Regierung will allerdings nicht mehr warten, bis der vollständige Bericht der unabhängigen Prüfer vorliegt. "In der Regierung, auch im Kanzleramt, verdichtet sich die Einschätzung, dass die Bundesregierung schon deutlich früher als im Mai eine Festlegung für ihre Haltung im Aufsichtsrat der Bahn treffen wird", sagte ein Regierungsvertreter. "Es ist klar, dass es keine wochenlange Hängepartie geben darf."

Wie die Entscheidung aussehen werde, sei offen. Mögliche personelle Konsequenzen aus der Daten-Affäre würden in jedem Fall "in enger Abstimmung mit Aufsichtschef Werner Müller" getroffen.

Dieser will laut Bild-Zeitung bereits kommende Woche erneut das Präsidium des Kontrollgremiums zusammenrufen.

Bekämpfung von "Geheimnisverrat"

Kommenden Mittwoch berät auch der Verkehrsausschuss des Bundestages über die Daten-Affäre beim Staatsunternehmen.

Die Bild-Zeitung hatte unter Berufung auf Regierungskreise noch berichtet, die Kanzlerin halte vorerst an Mehdorn fest und wolle erst noch den Prüfbericht abwarten. Offiziell verwies die Bundesregierung am Samstag lediglich auf den Aufsichtsrat. Dort seien Schlussfolgerungen aus den Erkenntnissen der unabhängigen Prüfer zu ziehen.

Diese hatten am Freitag einen Zwischenbericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass die Bahn neben dem schon bekannten Daten-Abgleich auch den E-Mail-Verkehr ihrer Beschäftigten jahrelang systematisch auf Kontakte zu Journalisten, Experten oder auch Parlamentarier untersucht hatte.

Laut Mehdorn ging es dabei stets nur um die Bekämpfung von "Geheimnisverrat". Wer die E-Mail-Kontrollen veranlasst hat, blieb vorerst unklar. Der Leiter der Konzernstrategie und Mehdorn-Vertraute Alexander Hedderich wies einen Bericht des Magazins Focus zurück, er habe die Aktion initiiert. "Das ist Quatsch", ließ er erklären. Er sei dafür "in keiner Weise verantwortlich gewesen."

(sueddeutsche.de/Reuters/hgn)

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