Backshops:Alles außer Fahrkarten

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Der Schweizer Konzern Valora kauft die Billig-Kette Backwerk, wie zuvor schon die Bäckerei Ditsch. Ganze Ladenzeilen in Bahnhöfen sind nun in der Hand von Valora.

Von Janis Beenen und Benedikt Müller, München/Düsseldorf

Wer bei Backwerk einkauft, muss fast alles allein machen: Der Kunde legt seine Semmeln mit einer Zange aus dem Regal auf sein Tablett, schenkt sich selbst seinen Kaffee in den Pappbecher ein. Statt bedient zu werden, stellt er sich an die Kassenschlange an - und packt seinen Einkauf schließlich selbst in die passenden Brottüten. Ein unbequemes Geschäftsmodell, das hierzulande aber dermaßen erfolgreich ist, dass es vor allem unbequem für Handwerksbäcker und Familienbetriebe ist.

Innerhalb weniger Jahre ist Backwerk zum größten Selbstbedienungsbäcker Deutschlands aufgestiegen - und soll nun für etwa 190 Millionen Euro verkauft werden. Falls das Bundeskartellamt zustimmt, will der Schweizer Brezel-Konzern Valora noch in diesem Jahr Backwerk übernehmen. Das hat Valora am Montag mitgeteilt. Backwerk-Geschäftsführer Karl Brauckmann soll an Bord bleiben und das "starke Wachstum der letzten Jahre fortsetzen", heißt es in der Mitteilung.

Mit den Ketten Backwerk und Ditsch wäre Valora viertgrößter Anbieter in der Backbranche

Valora setzt seit einigen Jahren auf Lebensmittelketten. Vornehmlich auf solche, die eine ähnliche Struktur wie Backwerk haben. Also ein dichtes Netz kleiner Filialen. Seit dem Jahr 2012 gehört etwa die Bäckereikette Ditsch mit 210 Filialen zu Valora. Auch Presse & Buch, die DB Service Stores sowie der Kioskbetrieb U-Store sind Teil von Valora. Mit der Übernahme von Backwerk haben die Schweizer 1500 Verkaufsstellen in Deutschland. In manchem Bahnhof gehören dann, vorausgesetzt das Kartellamt ist einverstanden, ganze Ladenzeilen zu Valora.

Bayern, Schwaben - oder gar die Niederländer? Um die Herkunft der Breze gibt es einen regionalen Wettbewerb. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Im Bäckereisegment wäre das Unternehmen mit den 340 Backwerk-Läden und den Standorten von Ditsch viertgrößter Anbieter in Deutschland. Das Netz aus rund 550 Filialen wäre größer als das der Kette Kamps, die knapp 500 Niederlassungen hat. Eine Kannibalisierung von Backwerk und Ditsch erwartet Valora nicht. "Es hat genügend Platz für beide Formate", heißt es auf Nachfrage. Überschneidungen der Geschäftsfelder sollen genutzt werden. "Wir werden sicher im Bezug auf Einkauf, Logistik und Expansion etwas zusammenrücken", teilt ein Sprecher mit.

Selbstbedienungsketten wie Backwerk, Mr. Baker oder Back-Factory heizen den Wettbewerb hierzulande weiter an. Klassische Handwerksbäcker und Familienbetriebe haben es immer schwerer, gegen die industriellen Mitbewerber zu bestehen. Sie konkurrieren in den Städten neben den Bäckerketten bundesweit mit den Backwaren und Back-Automaten der Supermärkte und Discounter. Zwar hat es die "Deutsche Brotkultur" vor zwei Jahren in die Unesco-Liste des immateriellen Weltkulturerbes geschafft; kein Land der Welt kennt so viele verschiedene Brotsorten. Dennoch achten viele Menschen beim Einkauf auf jeden Cent Unterschied.

Das bestätigt auch Karl-Heinz Hoffmann. Er ist Präsidiumsmitglied des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, der Interessensvertretung des traditionellen Gewerbes. An der ohnehin extremen Konkurrenzsituation ändere der Verkauf von Backwerk allerdings wenig. "Aber natürlich ist es schlimm, dass die Großen immer größer werden", sagt Hoffmann. Die Chance der Traditionsbetriebe liege in der Qualität. Die Zahlen der vergangenen Jahre machen Hoffnung. Zwar sinkt die Zahl der Filialen, doch der Umsatz der kleinen Betriebe steigt kontinuierlich. Auch beim Marktanteil waren die Kleinen laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung in den vergangenen Jahren stets führend. Rund 38 Millionen Deutsche kaufen ihr Brot vornehmlich beim herkömmlichen Bäcker.

Backwerk soll auch bei Valora weiter vom Franchise-Konzept leben: Die Essener Zentrale mietet die Ladenlokale zwar selbst an, überlässt deren Betrieb aber selbständigen Franchise-Nehmern. Gelernte Bäcker sind dabei aber nur selten zu finden.

Es kann sich also jeder darauf bewerben, einen Standort zu eröffnen, der bereit ist, mindestens 100 000 Euro in die Filiale zu investieren. 30 000 Euro verlangt das Unternehmen wenigstens als Eigenkapital. Die Zentrale in Essen entwickelt die Geschäftsideen und macht Werbung für die Marke; dafür zahlen die Franchise-Nehmer 3600 Euro Lizenzgebühr - und geben 5,5 Prozent der Umsätze an die Zentrale ab.

So kommt es, dass die Backwerk-Standorte im Jahr 2016 einen Außenumsatz von 210 Millionen Euro erwirtschafteten, die Essener GmbH aber nur etwa 55 Millionen Euro Umsatz verbucht. Der Umsatz ist in den vergangenen fünf Jahren um etwa ein Viertel gestiegen. 75 Prozent machen dabei fertige Snacks wie belegte Brötchen aus.

Bislang hielt der Finanzinvestor EQT die Mehrheit an Backwerk. Der schwedische Konzern hat weltweit Milliarden Euro in wachsende Unternehmen investiert; hierzulande ist er etwa an den Modeketten Cecil und Street One beteiligt. EQT war vor vier Jahren bei Backwerk eingestiegen und gab damals etwa 100 Millionen Euro aus, verkauft also mit Gewinn weiter.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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