Aventis-Übernahme:Paris hebt Pharma-Riesen aus der Taufe

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Nach der Übernahme der deutsch-französischen Aventis durch Sanofi gibt es in Paris offenen Jubel. In Berlin herrscht dagegen weitgehend Funkstille.

Mit ein paar dürren Sätzen kommentierte Kanzler-Sprecher Bela Anda am Montag die Übernahme des deutsch-französischen Pharmakonzerns Aventis durch den französischen Konkurrenten Sanofi.

"Die Bundesregierung fühlt sich dem Gebot der Neutralität verpflichtet", ließ Anda wissen. Ansonsten setze man darauf, dass die Vereinbarungen gelten: Am deutschen Standort des neuen Konzerns Sanofi-Aventis dürfe es keinen Abbau von Arbeitsplätzen geben.

Ganz anders das Echo in Paris. Die Einigung war kaum bekannt, da äußerte sich Premierminister Jean-Pierre Raffarin schon "sehr erfreut". Die Einigung entspreche dem "strategischen Interesse Frankreichs".

Hilfe von Chirac

Marktfragen spielten bei dieser Unternehmensfusion von Anfang an kaum eine Rolle. Bei seiner Fusionsinitiative wandte sich Sanofi-Chef Jean-François Dehecq nicht zuerst an Aventis, sondern an seinen alten Kumpel Jacques Chirac.

Der Staatschef setzte denn auch alles daran, den Zusammenschluss durchzusetzen. Auf deutscher Seite war von einem "Machtwort" keine Spur, wie es noch im Februar die Gewerkschaften von Bundeskanzler Gerhard Schröder verlangt hatten, um die damals noch als feindlich geltende Übernahme von Aventis abzuwenden.

Mehrfach trafen und hörten sich in dieser Zeit Schröder und Chirac. Von Irritationen zwischen den beiden wegen des Übernahmekampfs in der Pharma-Industrie war auch nichts zu spüren.

Im Gegenteil. Schröder und Chirac machen sich in der EU besonders stark für einen Ausbau der aktiven Industriepolitik. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass sie in Brüssel vorstellig werden, um für mehr Spielraum für die klassischen Industrien in der EU zu kämpfen.

Anders sei das ehrgeizige Ziel nicht zu erreichen, die EU bis 2010 zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Keine Freude machte Aventis den beiden Staatsmännern mit seinem Plan, sich vom Schweizer Novartis-Konzern vor Sanofi retten zu lassen. Die Schweizer hatten vor allem Interesse am Ausbau ihrer Position in den USA und hätten ihre Forschungsinvestitionen eher in den USA als in Europa gestärkt.

So nahm Sozialdemokrat Schröder wohl oder übel in Kauf, dass sich der Konservative Chirac nun mit den Federn eines weiteren wichtigen Wirtschaftschampions schmücken darf. Nach dem Ende der "Welt AG"- Träume von DaimlerChrysler ist das internationale Bild Deutschlands dagegen weiter trüb.

Schröder bezieht dafür jetzt wieder Prügel von den Gewerkschaften und der Opposition. "Deutschland, früher "die Apotheke der Welt", wird herabgestuft zur Filiale", tönt es bereits aus der CSU mit Blick auf die drohende deutsche Bedeutungslosigkeit in der Pharmaindustrie.

"Es ist prinzipiell gut, wenn deutsche und französische Unternehmen zusammenarbeiten, um in Europa und auf den Weltmärkten stärker zu werden, als man es allein sein kann", hatte Schröder schon im Februar gesagt.

Schon damals hatte er vermutlich erkannt, dass der Aventis-Zug in Richtung Sanofi abgefahren war. Das sollte allerdings "freundschaftlich organisiert werden", hatte er hinzugefügt.

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