Autos aus China:Die Blechbüchsen kommen

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Vor einem Jahr scheiterte der Brilliance am Crash-Test des ADAC. Jetzt wagen die Chinesen einen Neuanfang - und träumen davon, Europas Märkte aufzurollen.

Meite Thiede

Da stehen sie nun endlich an der Kaimauer, brav in Reih und Glied, mit Folie und Styropor vor hässlichen Kratzern und Beulen geschützt: 270 frisch aus China importierte Limousinen, auf deren Heck der Name Brilliance prangt. Vor einer Woche hat ein Autotransporter in Bremerhaven am Autoterminal festgemacht und sie ausgespuckt, zusammen mit ein paar tausend Suzukis aus Japan und Kias aus Korea.

Mit dem Brilliance BS6 treffen die ersten chinesischen Autos für den deutschen Markt auf dem Autoterminal in Bremerhaven ein. (Foto: Foto: dpa)

Vernichtendes Urteil beim ADAC-Crash-Test

Und jetzt steht Christian Mehlich stolz zwischen diesen bunten China-Autos und sagt: "Das ist schon ein toller Moment. Wenn man hier steht, sieht man, dass die Investition sich gelohnt hat." Mehlich ist Geschäftsführer der HSO Motors Europe, dem Generalimporteur für die Chinesen, und das letzte Jahr war für HSO gar nicht spaßig. Die kleine Firma aus Luxemburg musste eine harte Durststrecke überstehen, und Schuld daran waren eben diese chinesischen Autos. Sie kommen nämlich reichlich verspätet.

Vor einem Jahr waren schon einmal ein paar hundert Brilliances in Bremerhaven angekommen - als Vorboten einer lang geplanten Invasion. Brilliance ist der erste chinesische Autohersteller, der sich im großen Stil auf den europäischen Markt wagt. Und das ist ja bekannt: Wenn die Chinesen erst einmal irgendwo den Fuß drin haben, dann gibt es für sie kein Halten mehr. Damals allerdings gab es erstmal eine Vollbremsung. Der ADAC hatte sich so ein China-Auto geschnappt und es seinem in der Branche gefürchteten Crash-Test unterzogen.

Das Ergebnis fiel vernichtend aus: Von fünf möglichen Punkten bekam der Brilliance nur einen einzigen. Das Mittelklassemodell sei wie eine Blechbüchse zerquetscht worden und biete klägliche Sicherheitsstandards, wie sie im Deutschland der siebziger Jahre üblich waren, lautete das Urteil der Experten. Die Fachpresse schüttete jede Menge Häme aus und fand bitterböse Spitznamen für die chinesischen Unglücksautos, so dass deren Markteintritt zunächst einmal gescheitert war. Damals wurde sogar gemunkelt, dass hinter dem Desaster eine Kampagne von Konkurrenten stand. Wie auch immer: Die Autos waren nach dem Spruch des mächtigen ADAC unverkäuflich, und wie es heißt, hat HSO die Wagen schließlich still und leise irgendwo in Osteuropa verscherbelt.

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Mehlich ist ein nüchterner Manager und so schnell nicht aus der Ruhe zu bringen. "Wir haben ein gewisses Lehrgeld gezahlt", kommentiert er schlicht die Vergangenheit und widmet sich dann lieber der Zukunft. Immerhin habe die Marke durch die Berichte damals einen hohen Bekanntheitsgrad bekommen. Der jetzt importierte Brilliance - es ist ein Vierzylinder namens BS4 - werde mindestens drei Punkte schaffen, wenn der ADAC ihn nochmal gegen die Wand fahren lässt, ist Mehlich sicher.

Mit BMW und Porsche

In 60 Punkten wurde der Wagen verbessert. Herausgekommen ist "eine Symbiose", meint der Importeur: Das Design ist italienisch und stammt von Pininfarina, das Fahrwerk ist von Porsche, der Motor kommt von Mitsubishi, und der Partner in China ist BMW; mit dem bayerischen Hersteller besteht ein Joint Venture. Chinesisch sind eigentlich nur noch die Arbeiter, die die Wagen bauen. Und es klingt so überzeugt wie trotzig, wenn Mehlich sagt: "Dieses Auto gehört doch auf die Straße." Spätestens der Preis soll die Käufer überzeugen: Mit 15990 Euro liegt der BS4 etwa zehn Prozent unter den Angeboten vergleichbarer koreanischer Wettbewerber.

Verwöhnte deutsche Käufer

Trotzdem hat der Importeur sich noch eine besonders tatkräftige Unterstützung für den Markteintritt in Deutschland gesichert: HSO sponsert den Fußballverein Borussia Dortmund, "weil die genauso leidenschaftlich sind wie wir, sagt Mehlich. Im Stadion des BVB wird der Wagen Mitte Oktober auch der Fachpresse vorgeführt.

Bis dahin gibt es noch viel zu tun. Noch stehen die 270 Autos auf dem Terminal des Hafenbetreibers BLG in Bremerhaven und werden einzeln inspiziert, präpariert und aufpoliert. Die BLG betreibt dort die größte Autowerkstatt Europas und beschäftigt eine Truppe von Experten, die die Importautos aus Asien und Amerika - es sind ungefähr zwei Millionen Stück im Jahr - "landfein" machen. Da werden Navigationsgeräte und Handys eingebaut, Glasdächer und Überrollbügel montiert, Rallyestreifen aufgeklebt oder Spoiler angebracht - die Fahrzeuge werden eben so hergerichtet, wie der verwöhnte deutsche Käufer sie am liebsten hat.

Auf der nächsten Seite: Ein Händler findet: "Ein ganz ansprechendes Auto"

Josef Schreindl ist einer von mehr als 125 Händlern, die Brilliance als Partner für sich gewonnen hat. Am 18. Oktober wird er den BS4 zum ersten Mal seinen Kunden präsentieren. Mit Asiaten hat Schreindl Erfahrung: Seit 1985 vertritt er in Bad Tölz die Marke Nissan. Die Kunden, glaubt er, hätten ein gutes Gedächtnis und würden sich noch bestens an den ADAC-Test vom vergangenen Jahr erinnern. Dennoch traut er den Chinesen viel zu. "Ich glaub schon, dass Brilliance hier Fuß fassen kann. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist besser als bei allen anderen Marken."

Ehrgeiz und Entschlossenheit

Schreindl hat den Brilliance schon begutachtet. Sein Urteil: "Ein ganz ansprechendes Auto." Dass die Chinesen sich jetzt noch aufhalten lassen, glaubt er nicht. "Die werden sicher nicht zurückstecken. Das hat man ja bei den Olympischen Spielen gesehen, wie ehrgeizig und entschlossen die vorgehen." Schreindl kann sich auch noch gut erinnern, wie vor fünf Jahren die ersten koreanischen Autos belächelt wurden. Und heute machen sie mit ihren günstigen Preisen der etablierten Konkurrenz das Leben schwer. "Das wiederholt sich jetzt mit den Chinesen", glaubt der Händler.

Nach den Plänen des Importeurs wird die Verkaufsstatistik ziemlich steil nach oben gehen. In vier Jahren will HSO mindestens 75000 Brilliances auf dem Kontinent verkaufen. Das zweite Schiff mit den nächsten paar hundert Wagen ist schon unterwegs nach Bremerhaven. Und wenn sich die Träume von Christian Mehlich erfüllen, brauchen die Chinesen in ein paar Jahren auch nicht mehr in Nachbarschaft mit Japanern und Koreanern zu reisen. Dann füllt Brilliance so ein Fracht-Monster, in das 6000 Autos passen, locker alleine.

© SZ vom 20.09.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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