Autokonzerne:Willst du mit mir fahr'n?

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Vor einer Woche verkündeten BMW und Daimler den Zusammenschluss ihrer Mobilitätsdienste. Nun geben sie die Kooperation bei einer zentralen Technik der Zukunft bekannt: dem autonomen Fahren.

Von Max Hägler und Christina Müller, München

Plötzlich Partner: BMW-Chef Harald Krüger (li.) und Daimler-Manager Dieter Zetsche vergangene Woche in Berlin. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Das Projekt ist so groß und so bedeutsam, dass möglichst wenig darüber nach außen dringen sollte. Die meisten Ingenieure in Stuttgart und München erfuhren erst am Donnerstag zeitgleich mit der Öffentlichkeit, dass sie künftig zusammenarbeiten sollen: BMW und Daimler wollen sich zusammenschließen, um Assistenten für Autobahnfahrten und das Parken zu entwickeln. Es ist die erste Kooperation bei einem entscheidenden Wesenskern der teuren Autos von morgen.

Die beiden Konzerne sind eigentlich harte Konkurrenten im sogenannten Premiumsegment der Automobilbranche, allerdings ändern die schwierigen neuen Technologien die Rahmenbedingungen. Um noch größere Gegner zu zähmen, sollen künftig alte Ressentiments beiseite geschoben werden - um überhaupt eine Chance zu haben in der Mobilität der Zukunft. Oder wie es Klaus Fröhlich, Entwicklungsvorstand bei BMW, formuliert: "Durch die Zusammenführung der großen Kompetenzen unserer beiden Häuser erhöhen wir die Innovationskraft und beschleunigen die Verbreitung dieser Technologie." Das autonome Fahren sei "einer der revolutionärsten Trends", wird Daimlers Entwicklungsvorstand und designierter Vorstandschef Ola Källenius in der gemeinsamen Mitteilung zitiert.

Vor Mitte des kommenden Jahrzehnts sollen nun solche Assistenten der sogenannten Stufen 3 und 4 verfügbar sein, und BMW und Daimler hoffen, dabei die Industriestandards zu setzen. Im Kopf haben die Manager die Konkurrenz aus den USA und Asien. Unternehmen wie Google, Tesla oder Tencent, die mit viel Kapitaleinsatz und Personalaufwand Ähnliches entwickeln. Von der Google-Tochter Waymo heißt es, sie habe zwei Jahre Vorsprung.

Die neue Allianz soll zumindest zwischen Daimler und BMW den Wettlauf beenden, möglichst vor dem Konkurrenten ein System in Serie zu bringen, mit dem man auf der Autobahn unterwegs sein kann, ohne selbst andauernd für das Steuern des Autos verantwortlich zu sein. Der dritte deutsche Premiumhersteller, Audi, hatte dies schon vor zwei Jahren mit seinem Staupilot in seinem teuersten Modell A8 versprochen. Doch bis heute ist das Assistenzsystem weder zertifiziert noch freigeschaltet. Aktuell gibt es kein Auto zu kaufen, bei dem man sich als Fahrer zumindest zeitweise vom Verkehrsgeschehen abwenden darf (Stufe 3) oder gar länger (Stufe 4) und das den Menschen nur noch selten zum Eingreifen auffordert, etwa bei Unfällen oder Baustellen.

Es ist noch gar nicht lange her, dass man in München mächtig sauer auf die Stuttgarter war

Bei der Daimler-Marke Mercedes soll das teuerste Modell, die S-Klasse, ab dem Jahr 2020 Autobahnfahrten teilweise autonom bewältigen können; BMW kündigt dies für das Jahr 2021 beim Modell iNext an. Doch bei den Stuttgartern hörte man zuletzt von Ingenieuren hinter vorgehaltener Hand, dass dieses Versprechen vielleicht doch eine Nummer zu groß ist für die aktuell zur Verfügung stehende Hard- und Software. Ganz davon abgesehen, dass sich der Fahrstil in anderen wichtigen Märkten, etwa China, unterscheidet und der Computer dort völlig neu programmiert werden muss. Anpassungen an verschiedene Länder brauchen Zeit für die Entwicklungsarbeit. Das könnte mit der Kraft eines gemeinsamen Entwicklungsteams nun schneller gehen.

Allerdings werden die BMW- und Daimler-Ingenieure, die in diesen Monaten in Stuttgart und München an der Perfektionierung der jetzt anstehenden Wagengenerationen iNext und S-Klasse arbeiten, noch nicht zusammenarbeiten. Dem Vernehmen nach soll im Sommer das entsprechende Vertragswerk unterzeichnet werden, das etwa den Umgang mit Patenten und Arbeitskräften regelt.

Später einmal könnten die Ingenieure in Stuttgart und München dann auch ein gemeinsames lenkradloses Robotertaxi für den Stadtverkehr entwickeln, wie es Waymo so energisch vorantreibt und das in der Branche als "Stufe 5" bekannt ist. Man strebe Gespräche darüber an, teilen BMW und Daimler mit. Das unterstreiche übrigens "den langfristig und nachhaltig angelegten Charakter der Kooperation". Wer solche Zeilen schreibt, wünscht sich inständig eine langes und intensives Miteinander.

Jedenfalls verstetigt sich schon jetzt die Kehrtwende in einer zuletzt sehr konfliktreichen Beziehung. Die Vorstandschefs der beiden in etwa gleich großen Autohersteller, Harald Krüger (BMW) und Dieter Zetsche (Daimler), hatten erst in der vergangenen Woche bei einer gemeinsamen Feier den Zusammenschluss ihrer Mobilitätsdienste Drivenow und Car2go vollzogen.

Immer deutlicher erkennen die Manager der deutschen Automobilindustrie, dass sich das Geschäft ändert, gerade bei neuen Dienstleistungen, wie etwa Kurzzeitmieten in Städten. Über kurz oder lang drängen finanzstarke Unternehmen aus Asien oder den USA ins Geschäft und auf den europäischen Markt - wenn die Deutschen hier bestehen wollen, so glauben die Manager in München und Stuttgart, dann nur gemeinsam.

Die Logik war gegeben - dass sie umgesetzt wird, daran dürften auch die Veränderungen an der Spitze von Daimler ihren Anteil haben. Der mitunter sehr dominant und spöttisch auftretende Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche wird im Frühjahr abtreten. Vor allem mit ihm verbindet der Wettbewerber in München einen Vertrauensbruch, der bislang eine Zusammenarbeit schwer machte: Daimler hatte im Jahr 2014 bei der Kartellbehörde angezeigt, dass man in einer vielleicht widerrechtlichen Intensität mit Wettbewerbern, darunter BMW, zu technischen Themen rede. Die Münchner erfuhren von dieser Selbstanzeige lange Zeit nichts - bis im vorvergangenen Jahr Beamte im BMW-Hauptquartier anrückten. Das sorgte in München für mächtig Ärger. Nun soll Ola Källenius Daimler-Chef werden, ein schwäbischer Schwede von vollkommener Nüchternheit, soweit man ihn kennt. Und er hat wohl nichts mit der Selbstanzeige bei den Kartellwächtern zu tun.

Der neue starke Mann in Stuttgart könnte auch den Weg für ein drittes gemeinsames Projekt bereiten. BMW und Daimler wollen eine gemeinsame Plattform für kleinere, frontgetriebene Elektroautos schaffen. Noch ist die Planung dazu streng vertraulich, noch arbeiten Ingenieure in Stuttgart und München streng abgeschottet voneinander an ihren Autos. Aber sie wissen jetzt, wie schnell sich die Vorzeichen ändern können.

© SZ vom 01.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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