Autobranche:Flucht aus der Verantwortung

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(Foto: Marcus Führer/dpa)

Mit Projekten für bessere Luft sollen Diesel-Fahrverbote vermieden werden. Doch ausländische Autohersteller wollen sich nicht an dem geplanten Fonds beteiligen. Sie halten das Problem für eine nationale Angelegenheit.

Die deutsche Automobil-Industrie hat ausländische Autokonzerne aufgefordert, sich am Diesel-Fonds für bessere Luft in Städten zu beteiligen. Der Fonds war Anfang August bei einem Gipfel von Bundesregierung und Autoindustrie eingerichtet worden. Die Hersteller hatten sich seinerzeit bereit erklärt, 250 Millionen Euro beizutragen. Nun klafft ein Finanzloch, denn die ausländische Konkurrenz hat bisher nicht gezahlt. "Ich sehe nicht, wie die Lücke geschlossen werden soll, wenn die Importeure nicht gewonnen werden", sagte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der 68-Jährige warnte außerdem wegen Diesel-Abgasen vor Panikmache. "Wir haben keine apokalyptische Situation in Deutschland."

Erst vorige Woche war bei einem Spitzentreffen von Bund, Ländern und Kommunen bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der Startschuss für konkrete Projekte für bessere Luft in Städten gefallen. In vielen Städten werden Grenzwerte beim Ausstoß von gesundheitsschädlichen Stickoxiden anhaltend überschritten - auch, weil viele Autos die Grenzwerte zwar im Labor einhalten, nicht aber auf der Straße. Es drohen gerichtlich erzwungene Diesel-Fahrverbote.

Der Fonds hat mittlerweile ein Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro. Der Bund zahlt 750 Millionen Euro, der Rest soll von den Autoherstellern kommen. Deren Beitrag richtet sich nach ihrem Diesel-Marktanteil. Bisher haben der VW-Konzern, Daimler und BMW Zahlungen zugesagt. Den Löwenanteil als Branchenprimus zahlt VW mit rund 100 Millionen, wie die dpa aus Verhandlungskreisen erfuhr.

Umtauschprämien sollen den Kauf sauberer Autos ankurbeln

Da der Diesel-Marktanteil der Importeure bei rund 35 Prozent liegt, kämen bisher als Beitrag der Autoindustrie am Fonds nur rund 160 bis 170 Millionen Euro zusammen. Ein Sprecher des französischen Autobauers Renault hatte gesagt, der geplante Fonds sei aus Sicht des Unternehmens eine nationale Maßnahme. Der französische Autokonzern PSA, der Opel übernommen hat, verwies darauf, dass das Thema auf einer höheren Ebene behandelt werden müsse als auf der nationalen.

Die deutsche Industrie stehe dennoch zu ihrem Wort, sagte Wissmann. Das "freiwillige" Software-Update für Millionen zusätzlicher Autos koste die Hersteller Hunderte Millionen Euro. Dazu wirkten die Umtauschprämien. Verschiedene Hersteller bieten Prämien für Kunden an, um den Kauf saubererer Autos anzukurbeln. Die Autoindustrie ist zuletzt schwer unter Druck geraten - wegen des Abgas-Skandals bei Volkswagen, aber auch wegen der zum Teil trickreich gesenkten Abgaswerte im Labor.

Einen erheblichen Beitrag zur Luftqualität leiste eine rasche Erneuerung des Busbestands in den Städten, warb Wissmann. Dieselbusse mit der neuen Diesel-Norm Euro 6 hätten 80 Prozent weniger Stickoxid-Emissionen als ihre Euro-5-Vorgänger. Zudem bräuchten sie weniger Kraftstoff. "Eine Bestandserneuerung ist deutlich erfolgversprechender als jede Umrüstung, die sowohl technisch als auch vom Kosten-Nutzen-Effekt her fragwürdig ist." Von 2019 an kämen außerdem Elektrobusse deutscher Hersteller auf den Markt. Bisher ist hier nur die Konkurrenz aktiv.

Wissmann zeigte sich optimistisch, dass pauschale Diesel-Fahrverbote vermieden werden können. Wenn diese vom Tisch seien, werde sich der Diesel-Anteil an Pkw-Neuzulassungen wieder bei der 40-Prozent-Marke stabilisieren. Ein hoher Diesel-Anteil bei den Pkw-Neuzulassungen sei notwendig, um die europäischen CO₂-Ziele 2021 erreichen zu können.

Der VDA-Präsident verwies darauf, dass nach Daten des Umweltbundesamts die Stickoxid-Emissionen im Straßenverkehr seit 1990 um 70 Prozent gesunken seien. Das Umweltbundesamt hatte aber zugleich mitgeteilt, dass trotz der Minderung der Verkehrsbereich mit einem Emissionsanteil von 38 Prozent weiter der mit Abstand größte Verursacher von Stickoxid-Emissionen ist.

© SZ vom 04.12.2017 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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