Autobranche:Endlich vernetzt

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Audi, BMW und Daimler sind eigentlich Konkurrenten, nun aber machen sie mal gemeinsame Sache: Für 2,8 Milliarden Euro kaufen sie Nokias Kartendienst Here. Denn den hatte ein noch viel gefährlicherer Rivale im Visier.

Von Margarita Chiari, München

Über den Verkauf von Europas größten digitalen Kartendienst Here war seit Monaten spekuliert worden, nun ist der Deal perfekt: Die deutschen Autohersteller Audi, BMW und Daimler übernehmen den Dienst, der bisher dem finnischen Telekommunikationsspezialisten Nokia gehörte. Den Kaufpreis einschließlich der Übernahme von Verbindlichkeiten bezifferte Nokia mit 2,8 Milliarden Euro. Die Käufer übernehmen Here jeweils zu gleichen Teilen, keiner von ihnen strebe eine Mehrheit an, hieß es. Here werde eine "Schlüsselrolle bei der digitalen Revolution der Mobilität spielen", sagte BMW-Vorstandsvorsitzender Harald Krüger.

Die drei Konzerne hatten sich zusammengeschlossen, um bei den wichtigen Zukunftsthemen Digitalisierung und autonomes Fahren nicht dem Einfluss von Google, Apple und anderer Internetkonzerne ausgeliefert zu sein. Zumal diese inzwischen ihrerseits an selbstfahrenden Autos basteln. Exakte Verkehrsinformationen sind dafür Voraussetzung. "Hochpräzise digitale Karten sind ein entscheidender Baustein für die Mobilität der Zukunft", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. "Mit dem Einstieg bei Here wollen wir die Unabhängigkeit dieses zentralen Angebots für alle Fahrzeughersteller und Zulieferer sowie für Kunden aus weiteren Branchen sichern."

Nokias Kartendienst Here zählt zu den Marktführern: In Europa wird der Dienst in vier von fünf Autos genutzt. Zu den Kunden gehören neben den deutschen Premiumherstellern auch General Motors oder Fiat-Chrysler. Aber auch Paketdienste wie Fedex und UPS oder die Internetfirmen Amazon oder die Suchmaschinenbetreiber Yahoo und Baidu zählen zu den Nutzern. Ob das so bleibt, ist noch nicht ausgemacht. Hauptkonkurrent von Here ist Tomtom aus den Niederlanden, mit dem inzwischen etwa Bosch kooperiert. Toyota arbeitet mit dem Dienst Telenav zusammen.

Nokia hatte seinen Dienst zum Verkauf gestellt, um sich auf das Kerngeschäft als Netzwerkausrüster zu konzentrieren. Dazu übernehmen die Finnen gerade den französischen Wettbewerber Alcatel-Lucent für 15,6 Milliarden Euro, der Verkauf von Here soll diesen Kraftakt erleichtern. Gleichwohl reagierten die Nokia-Anleger enttäuscht auf die Nachricht vom Here-Verkauf, sie hatten einen höheren Preis erwartet. Nokias Aktien zählten am Montag zu den großen Verlierern im europäischen Aktienindex Euro Stoxx 50.

Nokia hatte 2007 den Kartendienst Navteq, die Basis von Here, für gut acht Milliarden Dollar gekauft und danach noch viel Geld in die Aktualisierung und Weiterentwicklung des Dienstes investiert. 2,8 Milliarden Euro wirken da in der Tat wie ein Schnäppchen. Doch für die Aktualisierungen müssen nun die drei deutschen Premiumhersteller sorgen. Ihre Rechnung ist allerdings eine andere: Here sichert ihnen die Kontrolle über die Daten und über ihr zukünftiges Geschäft. Und das wird nicht nur aus dem Verkauf von Autos bestehen, sondern aus Mobilitätslösungen im weiteren Sinn. BMW und Daimler betreiben inzwischen Carsharing-Dienste. Auch dafür ist Here wichtig.

© SZ vom 04.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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