Autobranche:Chefsache China

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Herbert Diess wird bald mehr Zeit in China verbringen. (Foto: Axel Schmidt/Reuters)

VW-Vorstandsvorsitzender Herbert Diess leitet künftig auch das so wichtige Geschäft in der Volksrepublik. Denn auf diesem Markt wird sich die Zukunft des Unternehmens entscheiden, meint er. Aber kann das mit dem erweiterten Posten gut gehen?

Von Christoph Giesen, Peking

Der frühere China-Chef von Volkswagen hatte eine Wohnung in Peking, fußläufig zum Büro des Konzerns im Diplomatenviertel, das von außen ein wenig wie ein Gebrauchtwagencenter aussieht. Auf den ersten Blick würde wohl niemand hier die mit Abstand wichtigste Dependance eines Weltkonzerns vermuten. Der neue China-Chef ist derweil mit dem Firmenjet eingeflogen, für ein paar Stunden ist er in der chinesischen Hauptstadt, dann muss er weiter, andere Aufgaben warten. Immerhin ein eigenes Büro haben sie ihm in der Pekinger Zentrale eingerichtet. Der neue Mann an der Spitze heißt Herbert Diess und ist nebenher auch noch Vorstandsvorsitzender von Volkswagen.

2012 war VW der erste Dax-Konzern, der einen eigenen China-Vorstand installierte. Jochem Heizmann, ein alter Kämpe, übernahm den Job und zog nach Peking. Zuvor hatte er das Nutzfahrzeuggeschäft des Konzerns geleitet und war Produktionsvorstand gewesen. Dann auf einmal China. Sonderlich viel Chinesisch spricht Heizmann bis heute nicht, und dennoch war er erfolgreich. Als er kam wurden auf dem chinesischen Markt etwa elf Millionen Wagen verkauft, heute sind es 23 Millionen Fahrzeuge - so viel, wie in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zusammen. Und in all der Zeit ist es Heizmann gelungen, VW als Marktführer in China zu behaupten. Vier von zehn Autos verkauft der Konzern in der Volksrepublik. Heizmanns Rolle: Er ist der oberste Lobbyist in China. Hier ein Abendessen, dort ein Empfang, immer ansprechbar für die chinesische Politik. Bei der Konkurrenz beobachte man das genau. Schon wenige Monate später zog Daimler nach und schickte Hubertus Troska nach Peking - im Rang eines Vorstandes. Nun geht Heizmann in den Ruhestand und Diess höchstpersönlich übernimmt - in schwierigen Zeiten.

Aufgrund des Handelskriegs zwischen den USA und China sind in den vergangenen Monaten die Zulassungszahlen in China gesunken. Zum ersten Mal seit den Neunzigerjahren. Der Markt 2018 ist um mehr als eine Million Fahrzeuge eingebrochen. Viele chinesische Käufer scheuen derzeit die Investition. Volkswagen will aufgrund eines starken ersten Halbjahres dennoch etwa 20 000 Autos mehr verkauft haben als 2017. Doch die kommenden Monate, das räumt der Konzern ein, werden wohl weiterhin angespannt bleiben.

Im vergangenen Jahr war Diess etwa 20 Tage in China. "Das werde ich verdoppeln", verspricht er. Aber reicht das auch? Das ist die Gretchenfrage. Denn, das sagt Diess selbst: "Die Zukunft von Volkswagen wird sich auf dem chinesischen Markt entscheiden." In der Volksrepublik schreiten die Veränderungen rascher voran.

Seit Anfang 2019 gilt in China eine verpflichtende Elektroauto-Quote, mehrere bereits milliardenschwere Start-ups schicken sich an, eigene Autos auf den Markt zu bringen, und im Unterschied zu Europa sind in China in den vergangenen Jahren Technologiekonzerne entstanden, wie es sie sonst nur in den USA gibt. Baidu, Alibaba und Tencent heißen die großen drei Unternehmen, sie alle haben Fähigkeiten und vor allem Leute, wie sie es bei Volkswagen nicht gibt: Tausende Softwareingenieure, mit denen sich Diess zusammentun möchte. "Die Autoindustrie der Zukunft wird ähnlich aussehen, wie bei Smartphoneherstellern", glaubt Diess. Das Auto sei künftig mit dem Internet verbunden und werde sich ständig erneuern durch Updates. "Die industrielle Logik wird sich ändern."

Wie genau er sich das vorstellt, ist Teil einer Gesamtstrategie, zu der er im laufenden Jahr Details verkünden möchte. Fest steht aber bereits jetzt, dass Volkswagen in China zusätzliche Ressourcen aufbauen wird. "Bislang haben wir im Wesentlichen europäische Technologie nach China gebracht", sagt Diess. Künftig werde der Konzern aber Ansätze und Lösungen in China entwickeln, die überall auf der Welt zum Einsatz kommen werden. "Volkswagen wird noch chinesischer", sagt Diess. Der China-Chef aber wird deutlich seltener im Land sein.

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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