Autobranche:Chaos bei Leoni

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Der Autozulieferer leidet unter hausgemachten Problemen - und der Branchenkrise. Firmenchef Aldo Kamper muss nun erst einmal die Aufgaben des Finanzvorstandes übernehmen. Denn der geht vorzeitig.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Es ist eine lange Serie an Pleiten, Pech und Pannen, die von gewaltigem Pfusch im Management kündet. Seit 2015 plagen den auf Bordnetz- und Kabelsysteme spezialisierten Autozulieferer Leoni ständig neue Probleme beim Anlauf neuer Serienproduktionen, Organisationschaos, Effizienz- und Kostenprobleme, Gewinn- und Umsatzwarnungen. Zu allem Überfluss ließ man sich zwischendurch auch noch von Betrügern um 40 Millionen Euro prellen und musste 70 Millionen Euro Lizenzgebühren an Softwarekonzerne nachzahlen. Allesamt hausgemachte Schwierigkeiten, aber nun kommen sie zur Unzeit.

Denn langsam, aber anscheinend sicher rutscht die Automobilbranche in eine Krise. Große Hersteller wie Volkswagen oder Ford streichen Tausende Stellen und geben den Druck an ihre Zulieferer wie Schaeffler, Continental, Bosch oder eben Leoni weiter, die ihrerseits zu schwächeln beginnen. Dies hat zum einen konjunkturelle Gründe. So sank 2018 ausgerechnet in China - für Hersteller und Zulieferer bis dahin so etwas wie das gelobte Land - zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten der Autoabsatz. Hinzu kommen strukturelle Probleme, wie sie sich gerade auch bei Leoni offenbaren. Das Unternehmen tut sich schwer mit der Transformation zur Elektromobilität.

Um die Lage wieder in den Griff zu bekommen, will der Nürnberger Konzern 2000 Stellen streichen, davon 500 in Hochlohnländern. Deutschland werde allerdings glimpflich davonkommen, heißt es in Unternehmenskreisen. Es deutet aber vieles darauf hin, dass Leoni über die Stellenstreichungen hinaus vor einem schwierigen Umbruch steht. Vorstandsvorsitzender Aldo Kamper, der erst im Herbst 2018 die Nachfolge des erfolglosen Dieter Belle antrat, kündigte ein Restrukturierungsprogramm an, das 120 Millionen Euro kosten wird. Binnen drei Jahren will der ehemalige Osram-Manager Leoni umkrempeln und rentabler machen. Zu lange hätten die Verantwortlichen auf Wachstum gesetzt und zu wenig auf Profitabilität geachtet, sagen Insider.

Der gebürtige Niederländer Kamper will seinerseits neben dem Chefposten auch die Führung der kriselnden Bordnetzsparte übernehmen sowie kommissarisch den Posten des Finanzvorstandes. Amtsinhaber Karl Gadesmann, dessen Vertrag zum Jahresende ausgelaufen wäre, muss vorzeitig gehen. Ihm wird Firmenkreisen zufolge vorgeworfen, "als Copilot versagt" und nicht früh genug Alarm geschlagen zu haben. Speziell, was Schwierigkeiten in einer neuen Fabrik in Mexiko angehe.

Diese kosten Leoni allein in diesem Jahr 50 Millionen Euro. Bereits 2015 gab es ähnlich gelagerte Schwierigkeiten an einem Standort in Rumänien, wo der Anlauf von drei Produktlinien zum Fiasko wurde. "Wir haben große Schwierigkeiten bei der tiefergehenden Planung der Abläufe in einigen Fabriken", sagt ein Insider. Leoni lässt in Billiglohnländern weitgehend in Handarbeit Bordnetzsysteme stecken, die sich zur elektrischen Versorgung ähnlich durch Fahrzeuge ziehen, wie Adern durch den menschlichen Körper.

Kamper will konsequent durchgreifen und die Probleme in den Griff bekommen. Die Anleger jedoch verlieren das Vertrauen in eine schnelle Gesundung von Leoni - zu oft hörte man ähnliche Versprechen. Entsprechend verlor die Aktie des Autozulieferers am Montag bis zu 20 Prozent ihres Wertes. Was kein Wunder ist, denn Kamper schließt für dieses Jahr sogar einen Verlust nicht aus. Schon 2018 waren die Leoni-Geschäfte mäßig gelaufen. Der Konzernüberschuss halbierte sich auf 75 Millionen Euro, der Umsatz stieg um 200 Millionen auf 5,1 Milliarden Euro.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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