Auto: Krise bei GM:Solo für Opel - Roland Koch prescht vor

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Im Extremfall ein Alleingang: Hessens Ministerpräsident Koch (CDU) sieht eine Zukunft des Rüsselheimer Autobauers Opel jenseits vom angeschlagenen Mutterkonzern General Motors. Die Bundesländer würden helfen.

Aufregung um Opel: Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat die Eigenständigkeit des Autoherstellers in Europa gefordert. Die in Rüsselsheim sitzende Firma ist dem Mann aus der Wiesbadener Staatskanzlei naturgemäß sehr nah.

Was wird aus Opel? Hessens Ministerpräsident Roland Koch bangt um Tausende Arbeitsplätze und verlangt die Eigenständigkeit. (Foto: Foto: dpa)

Ein europäisches Geschäftsmodell unabhängig vom angeschlagenen US-Mutterkonzern General Motors (GM) solle die Gewähr dafür bieten, dass Opel "die Investitionen finanzieren kann, die notwendig sind, um das Unternehmen in Zukunft wettbewerbsfähig zu halten", sagt Koch. Nur so könnten die Regierungen, die an den Verhandlungen über die Sanierung beteiligt sind, weitere Gespräche rechtfertigen.

Nicht jeden Zwischenstand kommunizieren

Koch wollte nicht darüber spekulieren, wie ein solches Geschäftsmodell für den Rüsselsheimer Autobauer aussehen könnte. Es sei wichtig, "dass wir hier die Menschen nicht dadurch verunsichern, dass wir jeden Zwischenstand bekanntgeben."

Der Ministerpräsident lehnte die angeblich von GM ins Gespräch gebrachte Schließung von Opel-Werken in Europa ab: "Für uns ist eine Diskussion über eine Schließung von Standorten nicht akzeptabel." Dies sei auch in die USA übermittelt worden.

Das europäische GM-Management habe bislang zugesichert, dass eine Sanierung des angeschlagenen US-Autokonzerns ohne Schließungen von Werken in Europa auskommen werde. Die Arbeitsplätze bei Opel seien zukunftsfähig.

Zuvor hatte es geheißen, das Opel-Werk in Bochum stehe möglicherweise vor dem Ende, weil der stark angeschlagene Mutterkonzern GM die Schließung oder den Verkauf von insgesamt drei Opel-Werken in Europa prüfe. Die Fabriken in Bochum und im belgischen Antwerpen könnten geschlossen, das Werk in Eisenach veräußert werden, berichtet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf einen nicht genannten Informanten, der mit den Plänen vertraut sei. Opel wollte den Bericht auf Anfrage von sueddeutsche.de nicht kommentieren.

Opel-Betriebsratschef Klaus Franz wies die Medienberichte über Schließungsabsichten vehement zurück. Derartige Szenarien seien nach seinen Kenntnissen nicht in dem Sanierungsplan von GM enthalten. "Ich halte das für eine gezielte Provokation, die Angst machen soll", sagte Franz. Die Medien seien benutzt worden, um Falschinformationen in die Welt zu setzen. Und: "Es gibt derartige Entscheidungen nicht."

Sollte GM tatsächlich Werksschließungen planen, sieht Franz auch die beantragte Bürgschaft für Opel in Gefahr. "Das würde niemand akzeptieren. Niemand in der Politik würde Bürgschaften geben, wenn Werke geschlossen würden."

Saab droht Verkauf

In Deutschland beschäftigt Opel mehr als 25.000 Menschen in vier Werken in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern.

Dem Bericht zufolge soll die schwedische Tochter Saab ebenfalls verkauft oder ganz geschlossen werden, wodurch ein weiteres Werk wegfallen könnte. Die Überlegungen seien Teil des Rettungsplans, den General Motors am Dienstag der US-Regierung für weitere Milliardenkredite vorlegen will. Die Opel-Mutter ist nach dramatischen Absatzeinbrüchen von der Insolvenz bedroht.

Nordrhein-Westfalens Regierungschef Jürgen Rüttgers (CDU) warnte auf seiner USA-Reise vor Werksschließungen. Wer mit dem Gedanken spiele, Fabriken in Deutschland oder Europa zu schließen, produziere Kosten in Milliardenhöhe, sagte er.

Der deutsche Regionalpolitiker, der mal Deutschlands Zukunftsminister unter Helmut Kohl war, will persönlich in Washington gegen die Krise der Autoindustrie und der Finanzbranche kämpfen.

Im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen arbeiten rund 83.000 Menschen in der Autobranche. Das treibt Rüttgers an, den sozialdemokratischsten der CDU-Granden.

Rüttgers trifft am Mittwoch in Detroit den GM-Vorstandschef Rick Wagoner und führende Ford-Manager. Vorher steht am Dienstag in Washington unter anderem ein Treffen mit dem Vize-Präsidenten des Internationalen Währungsfonds (IWF), John Lipsky, auf dem Programm.

In Rüttgers Delegation reist auch der ehemalige WDR-Intendant und jetzige Chef der Kulturhauptstadt-Gesellschaft Ruhr 2010, Fritz Pleitgen. Er will in Washington und New York das Ruhrgebiet als europäische Kulturhauptstadtregion des kommenden Jahres präsentieren.

In den USA geht es um die Idee, Opel zusammen mit Saab aus dem GM-Verbund herauszulösen und auf eigene Beine zu stellen. Das fordert der Opel-Betriebsrat. Der deutsche Staat soll dann Bürgschaften gewähren, womöglich sogar Anteile übernehmen - Hauptsache, Jobs bleiben erhalten.

Lesen Sie weiter, welcher Politiker den Rüttgers-Vorstoß unterstützt.

Unterstützung bekommt Rüttgers von links: Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke, Oskar Lafontaine erklärt, dass ordnungspolitische Überlegungen, "die von Marktfundamentalisten ins Feld geführt werden", in dieser außergewöhnlichen Krise Fehl am Platz seien. Es geht jetzt darum, die "ständige Enteignung der Arbeitnehmer durch Arbeitsplatzverlust, Kurzarbeit und Lohndumping zu mildern".

Dramatischer Rückgang: Für Januar meldeten die Hersteller desaströse Zahlen. (Foto: SZ-Grafik: Eiden)

Staatliche Zuschüsse dürften allerdings nur in Form der Belegschaftsbeteiligung gewährt werden. Die Beispiele Bahn und Telekom zeigten, dass der Staat als Anteilseigner keine Gewähr dafür biete, dass die Interessen der Belegschaft gewahrt blieben. Merkel müsse, wenn sie Staatshilfen zustimme, ihre VEB-Mentalität überwinden."

"Kein VEB Autobau"

Unterdessen sieht die FDP etwaige Pläne für eine staatliche Beteiligung an Opel kritisch. Es sei legitim, dass sich Bund und Länder Gedanken über die Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie machten, sagte der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Rainer Brüderle, der Berliner Zeitung. Aber: "Es darf am Ende kein VEB Autobau dabei herauskommen."

Es sei nicht Aufgabe des Staates, Autos zu bauen - sondern günstige Rahmenbedingungen für die Betriebe zu schaffen, so der FDP-Politiker. Brüderles Partei ist in Nordrhein-Westfalen und in Hessen an den Regierungen beteiligt. In den zwei Bundesländern liegen die größten Opel-Standorte - beide Landesregierungen denken über eine Beteiligung an dem Unternehmen nach.

Aber auch der Bund hält nun offenbar an eine Staatsbeteiligung an dem traditionsreichen Autohersteller für möglich. Voraussetzung dafür wäre eben eine zumindest teilweise Herauslösung von Opel aus dem angeschlagenen US-Mutterkonzern GM.

Vize-Kanzler und Außenminister Frank Steinmeier - bisher in Fragen der Ökonomie nicht aufgefallen - wollte eine solche Lösung nicht ausschließen. "Ich bin mit den Gesprächspartnern bei Opel der Meinung, dass wir alle Optionen prüfen müssen, um die Arbeitsplätze bei Opel in Europa und Deutschland zu retten", erklärt der SPD-Kanzlerkandidat. Der Mann will bei der Bundestagswahl im Herbst gut aussehen.

Die Politik könne Unternehmen nicht auf Dauer subventionieren, betont hingegen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD): Der Staat könne nur helfen, kurzfristig eine Brücke zu bauen. Zugleich machte der Sozialdemokrat, der vor Rüttgers NRW regiert hat, ein tragfähiges Restrukturierungskonzept zur Voraussetzung für staatliche Hilfen. Komme es zu einer Unterstützung für Opel, müsse sichergestellt werden, dass dieses Geld den deutschen Standorten zugute komme.

Auch die CDU-Führung in Berlin knüpft staatliche Hilfen für eine eigenständige Opel-Gruppe an ein tragfähiges Unternehmenskonzept und eine klare Abgrenzung zu GM. "Es muss ein Zukunftskonzept für Opel Deutschland vorliegen, dass deutlich macht, dass sich Opel Deutschland im Markt behaupten kann", sagt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla.

Aus Regierungskreisen in Nordrhein-Westfalen hieß es, zwischen Bundes- und Landesregierungen würden verschiedene Möglichkeiten diskutiert. "Der Prozess ist offen, es gibt noch keine Entscheidungen", sagte eine mit der Situation vertraute Person.

Oettinger gegen "Opel-Gesetz"

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) lehnt eine staatliche Beteiligung an Opel nach dem Muster des VW-Gesetzes ab. "Es gibt für mich keinen Grund, das ordnungspolitisch falsche VW-Gesetz noch um weitere Unternehmen zu erweitern, statt Folgerungen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu ziehen", sagte der CDU-Politiker der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

Der Grünen-Bundestagsfraktionschef Fritz Kuhn wiederum spricht zur Rettung des Autobauers Opel für eine zeitlich befristete Staatsbeteiligung aus. Es wäre tragisch, wenn ein "Automobil-Dino" wie General Motors ein modernes Unternehmen wie Opel in den Untergang reißen würde.

In diesem Sonderfall sollte der Staat die Opel-Ablösung aus dem US-Konzern unterstützen, etwa durch eine zeitlich befristete Minderheitsbeteiligung, sagte Kuhn der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung.

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