Auswirkungen:Gemischte Prognosen für den High-Tech-Sektor

Lesezeit: 2 min

Wenn die Krise länger anhält, könnten einigen Firmen ernsthafte Probleme drohen.

Antonie Bauer

(SZ vom 14.9.01) - Die Terroranschläge auf die Vereinigten Staaten werden auch in der High-Tech-Industrie ihre Spuren hinterlassen. Doch über die Stärke der Auswirkungen gehen die Meinungen auseinander.

Rob Enderle, Analyst bei der Giga Information Group, befürchtet Schlimmes. So werde die Flugindustrie auf jeden Fall unter den Nachwirkungen leiden: "Die Menschen werden nicht mehr gerne fliegen wollen." Das zwinge die ohnehin angeschlagene Branche dazu, ihre Ausgaben einzuschränken, und das werde wiederum etliche Lieferanten von Technologie treffen.

Glimpflich wird die High-Tech-Industrie nach Ansicht von Enderle nur davonkommen, wenn sich die Lage bald klärt - wenn also beispielsweise alle Schuldigen gefasst würden. Doch damit sei nicht zu rechnen, meint der Analyst: "Die Regierung spricht bereits von Krieg und scheint sich auch ansonsten darauf einzurichten, dass sich die ganze Sache länger hinzieht."

Sorge um Weihnachtskäufe

Das könnte üble Folgen für die Hersteller aller gehobenen Konsumgüter haben, denn dann würden die Verbraucher vorsichtig und schränkten die Ausgaben für alles, was sie als Luxusgüter betrachteten, ein. Dazu gehören beispielsweise Unterhaltungselektronik und PCs. Für die Computerindustrie könnte nach einem ohnehin schlechten Jahr so auch noch das Weihnachtsgeschäft, auf das sich viele Hoffnungen richten, entfallen.

Die betroffenen Firmen könnten sich auf Nachfrageausfälle von 30 Prozent und mehr einrichten, sagt Enderle, "und das setzt sich dann auch in allen Branchen, die zuliefern, fort".

William Malik, Analyst bei Gartner, ist da allerdings ganz anderer Meinung. "Amerika ist dabei, sich von einem tragischen Ereignis zu erholen. Deshalb ändert aber niemand seine Konsumgewohnheiten." Die amerikanischen Haushalte hätten bereits begonnen, etwas vorsichtiger mit ihrem Geld umzugehen, Malik glaubt aber nicht, dass sie jetzt plötzlich mehr sparen werden oder keine PCs mehr kaufen.

"Vermutlich wird die High-Tech-Branche sogar weniger unter den Folgen des Unglücks leiden als andere Industrien, denn sie ist widerstandsfähiger." Schließlich hätten die Firmen in Silicon Valley an der Ostküste beispielsweise schon einen harten Ausleseprozess überlebt.

Enderle hingegen befürchtet, dass eine anhaltende Krise für einige Firmen sogar das Aus bedeuten könnte. Er könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass Micron und Gateway den Betrieb einstellen und NEC in den Vereinigten Staaten dichtmacht. Auch für Toshiba sieht er erhebliche Probleme: Das Unternehmen sei stark von Notebooks abhängig, und dort dürfte die Nachfrage seiner Ansicht nach besonders stark einbrechen.

Die Anschläge könnten Enderle zufolge auch den Todesstoß für die Fusion von Hewlett-Packard (HP) und Compaq bedeuten. Das begründet er damit, dass der Preis der Compaq-Aktie durch den zusätzlichen Druck auf den Markt zu weit fallen könnte.

Das weist HP-Sprecherin Rebeca Robboy allerdings zurück: Der Zusammenschluss sei nicht von einem bestimmten Kursniveau abhängig und werde auf jeden Fall stattfinden - es sei denn, die Wettbewerbsbehörden spielten nicht mit. Ansonsten sei es zu früh, um die Auswirkungen der Anschläge zu beurteilen.

Kurzfristig bedeuteten sie sogar eine höhere Nachfrage nach den Leistungen von HPs Service-Sparte, unter anderem aus dem Gesundheitssektor und von Fluggesellschaften.

Auch andere High-Tech-Firmen möchten sich momentan ungern zu den Auswirkungen der Attacken äußern. So erklärte Chuck Mulloy vom Chip-Produzenten Intel, das Geschäft laufe weiter wie üblich, wenn auch unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen und einem vorläufigen Reisestopp.

"Aber so kurz nach den Anschlägen die Folgen zu kommentieren, wäre spekulativ", sagt er. Sun Microsystems, das ein Büro im World Trade Center unterhielt, ist momentan vor allem um das Wohlergehen seiner Mitarbeiter besorgt und will sich nicht zur ferneren Zukunft äußern.

Sicherheitsfirmen profitieren

Ein paar High-Tech-Firmen könnten von der Katastrophe profitieren, meint Enderle, so etwa die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie und ihre Lieferanten. Da Unternehmen künftig ihre Reisen vermutlich weiter einschränkten, dürften auch Videokonferenzen an Popularität gewinnen. Das komme Anbietern wie Polycom und PictureTel zugute, die die dazu nötige Kommunikationstechnik liefern. Insgesamt, sagt Enderle, werde vermutlich die Nachfrage nach Netzwerktechnik steigen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: