Auslandsbeteiligungen:Berlin irritiert Investoren

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Die Bundesregierung will sensible Industriezweige schützen und prüft Verkäufe an ausländische Firmen genau. Das verunsichert die Kapitalgeber.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Gerade noch gesichtswahrend hat jüngst ein chinesischer Investor sein Interesse am Erwerb des hoch spezialisierten Maschinenbauers Leifeld zurückgezogen, bevor das offizielle Veto der Bundesregierung kam. Kurz zuvor hatte die Regierung den Kauf eines Anteils von 20 Prozent an dem Stromnetzbetreiber 50 Hertz durch einen Investor aus der Volksrepublik verhindert. Die beiden Absagen sorgen für Unruhe unter ausländischen Investoren. "Wir beobachten eine Verunsicherung, weil es immer schwieriger wird, vorauszusagen, ob ein Investment gewünscht ist oder nicht", sagt ein Anwalt einer großen Anwaltskanzlei, die ausländische Investoren vertritt, der Süddeutschen Zeitung. Deutschland verliere "durch zunehmend unkalkulierbare Entscheidungen deutlich an Attraktivität".

"Englisch als Arbeitssprache? Fehlanzeige," monieren Kanzleien

Im Bundeswirtschaftsministerium weist man die Kritik zurück. "Deutschland ist und bleibt einer der weltweit offensten Investitionsstandorte", sagt eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Sie räumt jedoch ein, man müsse "gegenüber ausländischen Investoren beziehungsweise Staatsunternehmen da achtsam sein, wo unsere nationalen Sicherheitsinteressen betroffen sind, wo es um strategisch sensible Wirtschaftssektoren geht, wo keine marktkonformen Verhältnisse oder fairen Wettbewerbsbedingungen und Spielregeln für unsere Unternehmen herrschen". Das gehöre "zu einer funktionieren, wehrhaften sozialen Marktwirtschaft dazu".

Seit 2010 gab es in Deutschland knapp 7000 ausländische Investitionen, die meisten gehen auf das Konto von Unternehmen aus China, den USA und der Schweiz. Besonders oft wird in Unternehmens- und Finanzdienstleistungen, Kommunikationsdienstleistungen und Software sowie in Maschinenbauer investiert.

Normalerweise beauftragen Unternehmen aus dem Ausland, die in Deutschland investieren wollen, Wirtschaftsberater und Anwälte, um die Chancen dafür abzuwägen und am Ende auch den Einkauf abzuwickeln. Aus diesen Kanzleien ist nun zu hören, dass "der Papierkrieg" seit einem Jahr deutlich schlimmer geworden sei. Es gebe immer mehr Anfragen, die von den Beamten im hauptsächlich zuständigen Bundeswirtschaftsministerium "in die volle Prüfung" gegeben würden. Volle Prüfung, das heißt: mindestens vier Monate Wartezeit, wobei die Frist erst am dem Tag läuft, an dem das Ministerium den Antragstellern mitteilt, dass alle Unterlagen vollständig sind. Zwei, drei Ordner habe er mindestens dabei, sagt der Anwalt einer großen Kanzlei, wenn er die Unterlagen für eine volle Prüfung einreiche. Investoren gingen davon aus, dass Deutschland ein weltoffener Standort sei. Da stoße auf besonderes Unverständnis, dass alles auf Deutsch übersetzt werden müsse. Englisch als Arbeitssprache? Fehlanzeige.

Besonders kritisch ist die Lage, seit die Bundesregierung die Außenwirtschaftsverordnung im vergangenen Jahr verschärft hat. Seither wird nicht nur automatisch geprüft bei Übernahmebegehren ab 25 Prozent Anteilen, sondern auch, wenn es um kritische Infrastruktur geht. Und auch bei Rüstungsunternehmen.

China wollte beim Stromnetzbetreiber 50Hertz einsteigen. Die Bundesregierung hat das verhindert. (Foto: Jürgen Ritter/imago)

Die Außenwirtschaftsverordnung gestattet es seit 2004, Verkäufe inländischer Unternehmen durch ausländische Erwerber auf Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung hin zu prüfen und notfalls zu verbieten. Wie die zuständigen Bearbeiter betonen, geschehe das diskriminierungsfrei und ohne Unterscheidung nach der Herkunft des Erwerbers.

Gleichwohl werden politische Hintergründe verstärkt begutachtet. Dabei sind chinesische Investoren verstärkt ins Blickfeld gerückt. Seit die Führung in Peking in ihrer strategischen Planung bis 2025 festgelegt hat, in welchen Bereichen die Volksrepublik bis dahin Weltmarktführerin sein will, schaut die Bundesregierung ganz genau hin, wo sich die Chinesen in Deutschland einkaufen wollen. In den vergangenen Jahren ist der Umfang der chinesischen Investitionen in ganz Europa, aber vor allem in Deutschland, deutlich gestiegen, von einigen Hundert Millionen Euro auf zuletzt um die 14 Milliarden Euro.

Die strengen Prüfungen haben natürlich Auswirkungen auf die Attraktivität des Standorts Deutschland. Den beauftragten Rechtsanwälten zufolge dauert die Ausstellung selbst einer einfachen Unbedenklichkeitsbescheinigung jetzt deutlich länger als früher. Das Ministerium schaue "so umfassend hin, dass auch kleinste Beteiligungen zu einem Problem werden können". Es werde "unkalkulierbar", wie lange Investoren auf einfache Bescheinigungen warten müssten.

Der Grund dafür, so die Anwälte, liege wohl einerseits an der knappen Personalausstattung im Wirtschaftsministerium. Vor allem aber an den mitbeteiligten Fachabteilungen im Innenministerium und im Außenamt. Auch der Bundesnachrichtendienst und das Kanzleramt seien oft dazugeschaltet.

Seit 2004 wurden in Deutschland mehrere Hundert Direktinvestitionen, zuletzt 80 bis 100 pro Jahr, näher untersucht, ohne dass es zu einer Untersagung gekommen wäre, betont das Wirtschaftsministerium. Das Veto vom vergangenen Mittwoch sei "die erste Ermächtigung zur Untersagung einer Firmenübernahme" gewesen. Altmaier lässt derzeit prüfen, ob die Außenwirtschaftsverordnung "aufgrund sicherheitspolitischer Herausforderungen bezüglich Auslandsinvestitionen von EU-fremden Drittstaaten in kritischen Infrastrukturen anzupassen" ist. Im Zentrum der Diskussion steht, den Schwellenwert für automatische Prüfungen von 25 abzusenken. Im Gespräch sind Werte von zehn oder fünfzehn Prozent. Gleichzeitig steht die europäische Gesetzgebung zum "Investment-Screening", die maßgeblich auf einer gemeinsamen Initiative von Deutschland, Italien und Frankreich beruht, vor dem Abschluss. Damit würden künftig auch Prüfungen nicht marktkonformer, staatlich gelenkter Direktinvestitionen ermöglicht. Auch das zielt auf China.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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