Ausgaben des Staates:"Zu wenig - und noch dazu falsch"

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Um den Wohlstand in Deutschland zu erhalten, fordert die Arbeiterwohlfahrt mehr Staatsausgaben. Vor allem in Bildung müsse mehr investiert werden.

Michael Tibudd

Ein reicher Staat kann sich Investitionen leisten, er muss sogar investieren, um auch in Zukunft noch reich zu bleiben.

Genau das tut Deutschland nach Ansicht der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im wichtigsten Bereich zu wenig: "Die Bundesrepublik ist weit davon entfernt, ein modernes Bildungssystem zu haben", sagte der AWO-Bundesvorsitzende Wilhelm Schmidt bei der Vorstellung des AWO-Sozialberichts 2006 am Montag in Berlin. Es werde zu wenig Geld ausgegeben - und das dazu falsch.

Vorbild Schweden

40 Milliarden Euro mehr pro Jahr für den Bildungsektor seien nötig, wolle man mit dem Vorbild Schweden gleichziehen. Vor allem müsse mehr Geld in die ersten Bildungsphasen gesteckt werden. In Kitas und Grundschulen "werden Bildungsbiographien formatiert, hier entscheiden sich Lebensschicksale", heißt es im Sozialbericht.

Investitionen in die Jüngsten brächten "den größten gesellschaftlichen Nutzen". Die AWO spricht dabei insgesamt von einer "Fehlfinanzierung" von Teilen des Bildungssystems. Gerade die Kosten für die frühen Bildungsphasen hätten vor allem die Kommunen zu tragen.

Vom späteren Ertrag profitierten aber vor allem der Bund durch höhere Steuereinnahmen und die Sozialkassen durch höhere Beiträge. Die AWO fordert deswegen die Einrichtung einer bundesweiten "Familienkasse", die alle familienpolitischen Leistungen tragen soll. Dazu müsse auch eine flächendeckende Familienkontrolle gehören.

"Der Staat muss alle Familien regelmäßig aufsuchen, nicht nur die vermeintlich sozial Schwachen", sagte der Bundesvorsitzende Schmidt. Kindergärten bräuchten zudem einen wesentlich höheren Anteil akademisch qualifizierter Mitarbeiter.

Mehr Zeit statt Geld

Neben höheren Etats hält die AWO auch Veränderungen für nötig, die nicht unbedingt viel Geld kosten: So müsse die Zeit des gemeinsamen Lernens aller Kinder verlängert werden, "die soziale Selektivität des dreigliedrigen Schulsystems muss aufgebrochen werden".

Kritik übte Schmidt an der Föderalismusreform, nach der Bildung vollständig in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt. "Der föderale Wettbewerb in der Bildungspolitik hat Deutschland nicht vorangebracht", sagte Schmidt. Statt dessen seien bundesweit einheitliche Standards notwendig. Dies führe zu mehr Chancengleichheit.

© SZ vom 21.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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