Auftritt im Verkehrsausschuss:Letzte Chance für Mehdorn

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Das Verhältnis zwischen dem Bahnchef und der Politik ist belastet, doch Rücktrittsforderungen verstummen - zumindest vorerst.

Von Ulf Brychcy

Eduard Oswald genießt seinen Auftritt. Auffällig aufgeräumt erscheint er an diesem frühen Mittwoch morgen als einer der Ersten vor dem Sitzungssaal E.600 im Paul-Löbe-Haus. Dann legt er los, erfreut sich dabei an seinen eigenen Formulierungen.

Dosierte Selbstkritik: Hartmut Mehdorn. (Foto: Foto: AP)

"Die deutsche Sprache", sagt der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, "bietet viele Spielräume für Entschuldigungen". Bahn-Vorstandschef Hartmut Mehdorn ist damit gemeint, der in wenigen Minuten mit Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) auflaufen wird.

Es geht um die Person

Die Parlamentarier haben den Minister und seinen obersten Eisenbahner einbestellt. Einziger Tagesordnungspunkt: Aktuelle Fragen der Bahnpolitik. Tatsächlich geht es jedoch um die Person Mehdorn.

Das Verhältnis zwischen dem 62-jährigen Bahnchef und den Verkehrspolitikern gilt mindestens als schwer belastet. Vor Sitzungsbeginn ist das eher noch eine Untertreibung. Darauf weist auch CSU-Politiker Oswald hin.

Da steht er nun aufrecht im taubenblauen Anzug und nimmt seine Ausschussmitglieder, egal von welcher Partei, vor den wüsten Attacken von Mehdorn in Schutz.

Vertraulicher Brief

Dieser hatte drei Abgeordnete in einem vertraulichen Brief an den Industrieverband-Präsidenten Michael Rogowski als "so genannte Verkehrsexperten" bezeichnet, die sich "im 3-Tages-Rhythmus polemisch gegen mich und die Bahn äußern".

So gehe es keinesfalls, mahnt Oswald, "wir sagen ja auch nicht so genannter Vorstandsvorsitzender". Genau diesen Satz wird er zweieinhalb Stunden später vor laufenden Kameras wiederholen, nach der Ausschusssitzung, die einige Abgeordnete gern als Showdown für Mehdorn gesehen hätten.

Dazu ist es aber nicht gekommen, was allein schon die Körpersprache des untersetzten Bahnchefs verrät. Wirkte Mehdorn vor seinem Auftritt bei den Parlamentariern etwas fahrig, lächelt er danach siegesgewiss.

Linke Hand in der Hosentasche

Während er sich gemeinsam mit Stolpe und Oswald den Fragen stellt, vergräbt er seine linke Hand in der Hosentasche. Dies macht er oft, wenn er sich sicher fühlt. Die Rücktrittsforderungen jedenfalls sind nun erstmal verstummt, vom FDP-Verkehrspolitiker Horst Friedrich einmal abgesehen, für den Mehdorn "nicht die Lösung, sondern das Problem der Bahn" ist.

Friedrich ärgert es besonders, dass Mehdorn seinen Schmähbrief nicht zurückgenommen hat.

"Ich brauchte mich nicht zu entschuldigen, es hat mich auch keiner gefragt", sagt Mehdorn abseits der Kameras. Doch ohne ein bisschen Selbstkritik, das wusste der Bahnchef, würde er an diesem Mittwoch die Sache wohl kaum durchstehen können.

Entsprechend eingestimmt

Seine Berater hatten ihn vorher entsprechend eingestimmt und auch Stolpe, der Mehdorn noch am Dienstag zu sich ins Verkehrsministerium gebeten hatte. Also räumt der Bahnmanager ein: "Manchmal ist miteinander reden vielleicht besser, als immer gleich was zu schreiben."

Zudem gelobt er, künftig offener und häufiger auf die Parlamentarier zuzugehen: "Wir haben versprochen, es besser zu machen."

Am Börsengang aber hält Mehdorn unbeirrt fest, und zwar einschließlich des Schienennetzes. Dem Bund fehle das Geld für die Bahn, da sei der Zugang zum Kapitalmarkt einfach zwingend. "Ob dies 2006 oder 2007 geschieht, darüber muss aber der Eigner entscheiden", sagt der Bahnchef. Also die Bundesregierung und das Parlament.

Die Sache mit der Börse

Doch die Sache mit der Börse, die kürzlich auf Drängen von Kanzler Gerhard Schröder auf die Zeit nach der Bundestagswahl 2006 vertagt wurde, hängt weiter in der Luft.

Wird Mehdorn der Versuchung widerstehen können, das Entscheidungsvakuum demnächst erneut mit seinen Vorstellungen aufzufüllen? Eigentlich müsste die rot-grüne Regierung dieses Thema an sich reißen. Den Börsengang der Deutschen Telekom etwa wickelten 1996 maßgeblich der damalige Finanzminister Theo Waigel und sein Postminister ab. Die Telekom-Vorstände kümmerten sich allein um ihr Unternehmen und die Kunden - mit Erfolg.

Es liegt also auch an Stolpe, dem Vorstandschef Mehdorn die Grenzen aufzuzeigen. Doch der Minister hat während der Sitzung wieder nur versucht, zu moderieren, ohne etwas zu sagen, wie ein Teilnehmer berichtet.

Primat der Politik

Die Verkehrspolitiker aller Fraktionen jedenfalls sind sich einig. "Es muss das Primat der Politik gelten", sagt Oswald. Der Ausschussvorsitzende spricht von einer "Riesenchance", die Mehdorn heute erhalten habe. Es klingt, als sei es nun die letzte Chance des Bahnchefs.

© SZ vom 30.09.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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