Aufschwung Ost:Die Planwirtschaft lebt

Lesezeit: 2 min

Die Ideen der Dohnanyi-Kommission helfen Ostdeutschland nicht — das Problem ist der Westen. Ein Kommentar von Ulrich Schäfer.

Von Ulrich Schäfer

Es gehört zu den Lebenslügen dieser Republik, dass mit dem Fall der Mauer auch die ostdeutsche Planwirtschaft völlig zusammengebrochen sei. In Wahrheit lebt die Planwirtschaft, wenn auch in abgeschwächter Form, noch fort.

Der Glaube an Planbarkeit ist das Problem

Die volkseigenen Betriebe sind verschwunden — doch an ihre Stelle sind volkseigene Subventionen getreten. Die Fünf-Jahres-Pläne, mit denen Honecker und Co. die DDR auf Weltniveau heben wollten, wurden abgeschafft — stattdessen reicht der Solidarpakt II nun sogar bis ins Jahr 2019.

Und die Kombinate? Sie wurden durch von der Politik festgelegte Wachstums- und Industriekerne ersetzt.

Korruptionsfälle statt "blühender Landschaften"

Gewiss: Man kann diese Sicht des Aufbaus Ost als überspitzt oder gar zynisch bezeichnen. Doch tatsächlich ist der Glaube an einen planbaren Aufschwung Ost das eigentliche Problem.

Schon Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit, hat den Menschen an Elbe und Oder "blühende Landschaften" versprochen — heraus kamen Korruptionsfälle wie Leuna oder Pleiten wie bei der Vulkan-Werft.

Gerhard Schröder erklärte dann 1998 den Aufbau Ost in seiner Regierungserklärung zur "Chefsache", die Regierung werde Kompetenzen bündeln, Lösungen entwickeln und diese zügig umsetzen.

Keine Hilfe vom "Gesprächskreis Ost"

Doch seither hat sich die Kluft zum Westen und auch die Zahl der staatlich geförderten Konkurse weiter vergrößert.

Insofern helfen die Vorschläge, die der von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement eingesetzte "Gesprächskreis Ost" vorgelegt hat, nicht weiter. Die Expertengruppe unter Führung von Klaus von Dohnanyi rät dazu, die Subventionen auf die Wachstumskerne zu konzentrieren — also letztlich einigen noch mehr zu geben.

Aufbau Deutschland statt Aufbau Ost

Sie will auch Geringverdienern staatliche Zuschüsse zum Lohn geben, damit deren Arbeit sich wieder lohnt. Und ein Sonderbeauftragter, eine Art Planungsminister Ost, soll darüber wachen, wie all das Geld verteilt wird.

Tatsächlich ist die Zeit, in der sich die Probleme der neuen Länder isoliert lösen ließen, vorbei. An die Stelle des Aufbaus Ost müsste nach drei Jahren der Stagnation der Aufbau Deutschland treten.

Denn warum sollen allein die neuen Länder zum Experimentierfeld für weniger Bürokratie werden, wenn die alten Länder genauso darunter leiden? Warum soll nur das Arbeitsrecht Ost flexibler werden, wenn dies auch im Westen das Entstehen von Jobs hemmt?

Last des Westens

Und zudem: Wer nur auf die 1250 Milliarden Euro aus dem Westen starrt, die der Osten seit 1990 verschlungen hat, macht es sich zu einfach, denn nur ein Siebtel floss in die Wirtschaft.

Der größte Teil hat hingegen damit zu tun, dass dem Osten vor 14 Jahren ohne Zögern die westdeutschen Sozialsysteme übergestülpt wurden.

Der Osten, hieß es immer, sei zur Last des Westens geworden. Man kann es aber auch so sehen: Nur wenn der Westen wieder wächst, kann er sich den Osten leisten und ihn stützen.

Der Chefsache-Ost-Kanzler sollte daher fragen: Welche Reformen bringen Deutschland voran? Und nicht: Was bringt den Osten voran?

© SZ vom 30. Juni 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: