Auf- und Absteiger des Jahres:Antritt der Realisten

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In den Chefetagen der Unternehmen regiert die Nüchternheit. Manager mit Bodenhaftung wie der designierte DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche kamen in diesem Jahr nach oben. Mit Versagern und Blendern wurde hingegen gnadenlos abgerechnet.

Margarita Chiari

Eigentlich hätte das Jahr für Josef Ackermann nicht besser laufen können. Zielstrebig hat der Chef der Deutschen Bank das Institut auf Ertrag getrimmt - und erntet nun die Früchte seiner Hartnäckigkeit.

Einer der Aufsteiger des Jahres 2005: Dieter Zetsche. (Foto: Foto: Reuters)

Die Bank wird für 2005 einen Rekordgewinn präsentieren, sie wird aller Voraussicht nach das Ziel einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent erreichen, und auch der Aktienkurs tendiert beständig nach oben. Mehr noch, die Bank ist das einzige deutsche Institut, das international mitspielen kann.

Eigentlich hätte Josef Ackermann damit allen Grund, sich auf dem Gipfel des Erfolges zu sonnen. Doch davon kann keine Rede sein: Spätestens seit dem 21. Dezember, als der Bundesgerichtshof die Freisprüche im Mannesmann-Prozess aufhob und den Chef der Deutschen Bank damit wieder auf die Anklagebank schickte, fordern in Deutschland nahezu alle seinen Rücktritt. Es scheint wohl nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis er sich den Forderungen beugt.

So wie Jürgen Schrempp. Noch bei der Hauptversammlung von DaimlerChrysler im vergangenen Frühjahr hatte dieser als Vorstandschef seinem Ruf als "Rambo" alle Ehre gemacht und Rücktrittsforderungen vom Tisch gefegt. Drei Monate später verkündete er dann fast überraschend seinen Abschied.

Abgang stützt Aktie

Schmerzlich für ihn, dass er ausgerechnet mit dieser Entscheidung den Aktionären das bescherte, wonach sie verlangten: Der Aktienkurs schnellte nach oben, binnen Minuten stieg der Wert des Unternehmens von 36 auf 40 Milliarden Euro.

Auf den ersten Blick haben Josef Ackermann und Jürgen Schrempp wenig gemein. Der Chef der Deutschen Bank hat den Wert des Unternehmens beständig gesteigert, Jürgen Schrempp dagegen stand zum Zeitpunkt seines Abschieds vor den Scherben seiner "Welt AG": Seit der milliardenschweren Fusion mit Chrysler tendierte der Aktienkurs nach unten, das Engagement bei Mitsubishi endete im Fiasko und der Kleinwagen Smart hat den Konzern bislang viel Geld gekostet.

Doch in Wirklichkeit verbindet die beiden Manager mehr, als man denken würde: Schrempp ("Mr. Shareholder-Value") wie Ackermann sind Verfechter einer knallharten Ertragsorientierung, beiden aber ist es nicht gelungen, den Sinn ihres Tuns einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln - was sie vielleicht auch gar nicht beabsichtigten.

Kommunikationsexperten wundern sich

Kommunikationsexperten konnten nur den Kopf schütteln, als Josef Ackermann just an dem Tag, als er einen Rekordgewinn der Deutschen Bank präsentierte, zugleich die Streichung von mehr als 6400 Stellen ankündigte.

Auf Kritik reagierten beide gleichermaßen fassungslos. Legendär bereits Ackermanns Ausspruch, Deutschland sei wohl "das einzige Land, wo diejenigen, die Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen".

Schrempp wie Ackermann fühlten sich unverstanden - und übersahen dabei, dass die Welt, in der sie agierten, sich verändert hat. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit in Deutschland und einer weit verbreiteten Verunsicherung reicht Profitorientierung allein eben nicht mehr aus, sind auch andere Werte gefragt.

So geißelt der Schweizer Managementberater Fredmund Malik die harte Orientierung an der Rendite bereits als "größte Irrlehre der Wirtschaftsgeschichte" und erntet dafür Applaus, auch wenn er den Einfluss der Kapitalmärkte auf die Unternehmen damit schlicht verdrängt.

Auch andere Qualitäten gefordert

Sicher aber ist, dass in Zeiten der Krise auch andere Managerqualitäten gefordert sind. Qualitäten, wie sie etwa Schrempps Nachfolger Dieter Zetsche schon vor seinem offiziellen Amtsantritt als Konzernchef Anfang 2006 zeigte.

Als das Unternehmen im September ankündigte, dass bei Mercedes bis Ende nächsten Jahres 8500 Jobs gestrichen werden, fuhr Zetsche selbst nach Sindelfingen, um der Belegschaft die Gründe für den Einschnitt zu erläutern. Das kam gut an. Die Maßnahmen sind deshalb nicht weniger harsch, Zetsche ist ein harter Sanierer. 30.000 Stellen hat er bei Chrysler gestrichen, und Stellenabbau wird es auch in Deutschland geben.

Doch Zetsche zeigte, was der Zukunftsforscher Matthias Horx als Erfolgsfaktoren ermittelt hat: "Mut zur Ehrlichkeit" und "Glaubwürdigkeit". Genau dies fehlte Schrempp zuletzt. Beschäftigte und Investoren waren es leid, von Visionen zu hören, die sich nicht realisierten. Anspruch und Wirklichkeit stimmten nicht mehr überein.

Offen und kommunikativ

Zetsche hingegen wird zugetraut, das Blatt bei Mercedes zu wenden. Sicher, ihn belasten nicht die Managementfehler der Vergangenheit, doch auch in seinem Wesen unterscheidet er sich deutlich von Schrempp. Er ist offen und kommunikativ - einer, dem der Sinn für die Realitäten und die Nöte an der Basis nicht abhanden gekommen ist. Das motiviert.

Die neue Nüchternheit in den Chefetagen zieht sich quer durch alle Branchen. Die Visionäre sind verschwunden, das Bodenständige regiert. Applaudiert wird eher farblosen Managern, wie Bayer-Chef Werner Wenning. Auch die gefeierten Jungstars, wie VW-Sanierer Wolfgang Bernhard oder der zum Mobilcom-Chef avancierte Eckhart Spoerr, fallen nicht durch große Sprüche auf. Und selbst jene, die im vergangenen Jahr mit milliardenschweren Übernahmen brillierten, wie Adidas-Chef Herbert Hainer oder Unicredit-Vorstand Alessandro Profumo, demonstrierten Bodenhaftung.

Die Auf- und Absteiger des Jahres 2005. (Foto: Fotos: Süddeutsche Zeitung)

Auffällig ist die Bescheidenheit der Erfolgreichen - ihnen wird wohl eher zugetraut, auch schwierigere Zeiten mit Anstand zu meistern.

Gnadenlos

Mit Versagern und Blendern wird dagegen gnadenlos abgerechnet. Wer die Leistung nicht bringt, wird gefeuert. Zu spüren bekam dies nicht nur Schrempp, sondern auch HP-Chefin Carly Fiorina, der der Aufsichtsrat die Gefolgschaft verweigerte, als sich der Erfolg der Compaq-Übernahme nicht einstellte.

Gehen musste ebenso Karstadt-Quelle-Chef Christoph Achenbach, der bei der Sanierung des Kaufhauskonzerns eher glücklos agierte. Und auch den einst hoch gelobten Premiere-Chef Georg Kofler könnte die kostspielige Pleite bei der Bewerbung um die Fußballliga-Übertragung den Job kosten. Vorerst hat er vor allem selbst viel Geld verloren.

Auch persönliche Verfehlungen werden nicht mehr toleriert. VW-Personalvorstand Peter Hartz trat zurück, als die Affäre um Lustreisen und Tarnfirmen bei Volkswagen aufflog, Ratiopharm feuerte Vorstandschef Claudio Albrecht, als Gerüchte über aggressive Vertriebspraktiken des Pharmaherstellers die Runde machten, Korruptionsvorwürfe kosteten Infineon-Manager Andreas von Zitzewitz den Job. Gestolpert ist auch der erfolgreiche Boeing-Chef Harry Stonecipher - über die Affäre mit einer Mitarbeiterin.

Leistungsbezogene Abgänge

Der Druck auf die Führungskräfte hat deutlich zugenommen. Schon im Jahr 2004 ist die Zahl der leistungsbezogenen Abgänge in den Chefetagen um 44 Prozent gestiegen, hat die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton in ihrem jährlichen "CEO Sucession Report" ermittelt.

Weltweit musste jeder siebte Vorstandschef seinen Posten räumen, in Deutschland sogar jeder fünfte - die meisten wegen mangelnder Leistung. Der Trend dürfte sich fortsetzen.

Druck machen nicht nur Aufsichtsräte und Aktionäre, sondern zunehmend auch Investoren wie Hedge-Fonds. Schmerzlich bekam dies der Chef der Deutschen Börse, Werner Seifert, zu spüren, der bei seinem Versuch, die Londoner Börse zu übernehmen, am Widerstand eines scheinbar unbedeutenden Fonds-Investors scheiterte - und seinen Posten räumen musste. Auch Hans Fahr, Chef des Maschinenbauers IWKA, verlor den Machtkampf mit dem Großaktionär Guy Wyser-Pratte.

Die alte Deutschland AG löst sich auf

Der Wind ist rauer geworden für deutsche Führungskräfte, und dies liegt auch daran, dass sich die Zusammensetzung der Aktionärskreise verändert hat. Die alte Deutschland AG löst sich auf, die enge Verflechtung von deutschen Banken und Industriekonzernen hat sich deutlich ge-lockert.

Vor allem die Finanzinstitute haben sich von zahlreichen Beteiligungen getrennt. Darauf, dass sich der Aufsichtsrat kulant zeigt und Managementfehler toleriert, kann sich keiner mehr verlassen. Denn eingestiegen sind internationale Finanzinvestoren - und die setzen andere Maßstäbe.

Auch in Familienunternehmen griffen die Eigentümer stärker ins Geschehen ein - und sorgten für einige überraschende Managementwechsel. Beim Bahntechnikspezialisten Vossloh musste Burkhard Schuchmann seinen Posten räumen, weil den Eigentümern die Expansionspläne zu riskant erschienen.

Eigentümer mischen sich ein

Auch Bernhard Scheuble, Chef des Pharmaunternehmens Merck, musste dem Druck der Eigentümer weichen. Ausgewechselt wurden ebenso die Chefs von Ritter Sport, Olaf Blank, und von Strenesse, Peter Kappler. Ihnen allen war es - als familienfremde Manager - nicht gelungen, die Eigentümer zu überzeugen oder sich derem Willen zu beugen.

Für Aufsehen sorgten die Familienunternehmen auch mit zwei weiteren Berufungen. Reinhold Würth und Berthold Leibinger entschieden sich bei der Regelung ihrer Nachfolge für die Töchter: Mit Bettina Würth und Nicola Leibinger-Kammüller übernehmen nun zwei Frauen die Leitung in höchst erfolgreichen Unternehmen.

Und beim größten deutschen Privatsender RTL gibt mit Anke Schäferkordt seit einigen Monaten ebenfalls eine Frau den Ton an. Vielleicht auch dies ein Signal für eine andere Managementkultur.

© SZ vom 28.12.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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