Auf dem Schleudersitz:Dieter Vogel neuer Aufsichtsrats-Vorsitzender bei Bertelsmann

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Manchmal schließt sich auch im Leben eines Top-Managers auf wundersame Weise der Kreis.

Von Ulf Brychcy

(SZ vom 21.11.03) — Dieter Hans Vogel, der vor 33 Jahren seine berufliche Laufbahn bei Bertelsmann in Gütersloh begann, wird aller Voraussicht nach zum neuen Aufsichtsrats-Vorsitzenden des Medienkonzerns ernannt.

Der schlanke, hoch gewachsene Manager folgt damit seinem langjährigen Freund und Kollegen Gerd Schulte-Hillen nach, der seine Kräfte in der Auseinandersetzung mit Bertelsmann-Vorstandschef Gunter Thielen, 61, ziemlich überschätzt hat.

Überraschung

Thielen fühlte sich zunehmend bedrängt von seinem eigenwilligen Oberaufseher, der es zuletzt an Berechenbarkeit fehlen ließ. So überraschte Schulte-Hillen, 63, seine Aufsichtsrats-Kollegen bei der Fusion der Bertelsmann-Musiktochter BMG mit Sony Music mit einem abrupten Positionswechsel.

Erst war er dafür, dann dagegen. Vogel, 62, der für sein strategisches Denken gerühmt wird, dürfte sich darüber gewundert haben. Andererseits hat der gebürtige Egerländer sicherlich damit gerechnet, dass Schulte-Hillens Regentschaft bei Bertelsmann dem Ende zugeht.

Der Schleudersitz

Dabei mitgeholfen hat Vogel, der bereits stellvertretender Aufsichtsratschef bei dem Medienreisen ist, aber wohl nicht. Ohnehin müsste Vogel eigentlich unwohl werden, wenn er seine neue Aufgabe übernimmt. Der Posten des Oberaufsehers ist bei Bertelsmann zu einem Schleudersitz geworden.

Anfang der siebziger Jahre bildeten Vogel, Schulte-Hillen und der spätere Bertelsmann-Chef und Oberaufsichtsrat Mark Wössner, 60, ein jung-dynamisches Trio, das damals noch von Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn eingestellt wurde.

Promovierter Ingenieur

Die drei Nachwuchskräfte machten rasch Karriere, wobei nur Vogel die Firma verließ. Ihm ging der Aufstieg zu langsam. Der promovierte Ingenieur (Dissertation über "Selbsterregte Schwingungen von Turbinenläufern") sanierte die Pegulan-Werke, wechselte 1986 zu Thyssen und rückte dort ein Jahrzehnt später zum Vorstandschef auf. Nach der Verschmelzung von Thyssen mit Krupp blieb ihm nur der Job des Aufsichtsratschefs.

Ein fünfjähriges Ermittlungsverfahren wegen eines angeblichen Treuhandbetrugs, das schließlich 1998 eingestellt wurde, beschädigte seine Reputation.

Vogel gilt als kompetent, seine Fähigkeiten sind gerade bei Krisenunternehmen (Mobilcom, WCM) gefragt. Er kennt Bertelsmann und die komplizierte Gemengelage dort sehr gut, schließlich hat der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Kindern den freundschaftlichen Kontakt zur Familie Mohn nie verloren.

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