Arzneimittelkosten auf Rekordhoch:Viele unnütze Pillen

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In Deutschland werden nach wie vor zu viele neue Medikamente verschrieben, die teurer, aber nicht wirksamer als herkömmliche Mittel sind.

Aus dem am Dienstag in Berlin vorgelegten Arzneiverordnungs-Report geht hervor, dass im vergangenen Jahr die Arzneiausgaben der Krankenkassen erneut um 6,5 Prozent auf ein Rekordhoch von 22,7 Milliarden Euro gestiegen.

Damit seien Arzneimittel inzwischen der zweitgrößte Kostenblock in der mit einem wachsenden Milliarden-Defizit kämpfenden Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Zum Ausgabenanstieg hätten vor allem teure Analogpräparate ohne therapeutischen Zusatznutzen beigetragen.

Nach Meinung der Autoren des alljährlich vorgelegten Arznei-Reports könnten ohne Qualitätsverluste in der medizinischen Behandlung rechnerisch 4,1 Milliarden Euro eingespart werden.

Einfluss der Pharmaindustrie

Dazu müsste auf teure Analogpräparate oder umstrittene Medikamente verzichtet werden. Zudem sollten öfter bewährte und preiswertere Präparate verschrieben werden. Um Fehlsteuerungen zu vermeiden, müsse der Einfluss der Pharmaindustrie eingeschränkt werden, forderte der Mit-Autor der Studie, Prof. Ulrich Schwabe vom Pharmakologischen Institut der Uni Heidelberg.

Nach den Worten von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) bestätigen die Zahlen, wie notwendig die Ende vergangener Woche im Bundestag von Rot-Grün und der Union verabschiedete Gesundheitsreform sei. Damit gebe es künftig Instrumente, "Ineffizienz und Verschwendung in der Arzneiversorgung" zu bekämpfen.

Im ersten Halbjahr 2003 sind die Arzneiausgaben der Krankenkassen nach den hohen Zuwachsraten der vergangenen Jahre erstmals wieder gesunken. Das Minus von 1,1 Prozent ist nach früheren Angaben des Gesundheitsministeriums aber allein auf die zusätzlichen Rabattregelungen zurückzuführen, die Pharmaunternehmen und Apotheken be- und die Gesetzliche Krankenversicherung entlasten. Ohne die Rabattregelungen wären die Arzneiausgaben um 7 Prozent gestiegen.

Nutzen-Bewertung

Die Gesundheitsreform sieht von 2004 an unter anderem eine Nutzen- Bewertung vor. Zudem sollen die Rabatte, die Pharmafirmen gewähren müssen, von sechs auf 16 Prozent erhöht werden. Patentgeschützte Mittel ohne nennenswert bessere Wirkung werden in die Festpreisbindung einbezogen.

Schließlich sind Versandapotheken zugelassen. Auf die von Experten geforderte und ursprünglich auch von der SPD angestrebte Positivliste, mit der die Zahl zu erstattender Medikamente auf 20.000 etwa halbiert werden sollte, wurde im Zuge des Gesundheitskompromisses mit der Union allerdings verzichtet.

Der Arzneimittel-Anteil an den GKV-Gesamtausgaben in Höhe von 143 Milliarden Euro ist den Angaben zufolge seit 1993 von 13,9 Prozent auf 17,4 Prozent geklettert. Aus dem Kostenanstieg ergibt sich dem Report zufolge ein Umsatzplus von 1,4 Milliarden Euro. 40 Prozent des Ausgabenzuwachses seien auf die 25 umsatzstärksten Arzneimittel entfallen.

Von diesen führenden Mitteln wiederum seien die Hälfte teure Analogpräparate ohne therapeutischen Zusatznutzen oder Arzneimittel ohne Belege für eine Langzeitwirkung.

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