Arbeitszeit-Debatte:Krank zur Arbeit, gesund in den Urlaub

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Handwerks-Präsident Otto Kentzler hat seine Forderung bekräftigt, Krankheitstage vom Urlaub der Arbeitnehmer abzuziehen.

Kleinere Betriebe könnten es sich nicht mehr leisten, ihren Beschäftigten nach langer Krankheit noch den Gesamtanspruch auf ihren Urlaub zu erfüllen, sagte Kentzler im ZDF.

Handwerks-Präsident Otto Kentzler tritt für eine Senkung der Lohnzusatzkosten ein. (Foto: Foto: dpa)

Der Vorstoß war auf heftige Kritik bei den Gewerkschaften gestoßen, die die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bedroht sehen.

In Zeiten "großen Drucks von außen" müsse Arbeit in Deutschland preiswerter gemacht werden, sagte Kentzler.

Dazu gehöre die Senkung der Lohnzusatzkosten, zu denen auch die Krankheitstage und Urlaubstage zählen: "In diesen Zeiten müssen wir alles auf den Prüfstand stellen, alles darf in Frage gestellt werden", sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.

Fehlende Arbeitsleistung durch Krankheit

Unternehmen müssten Urlaubs- und Krankheitstage erwirtschaften. Bei längerer Krankheit von Beschäftigten fehle jedoch deren Arbeitsleistung.

"Der Arbeitnehmer muss nach seiner Genesung seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen, damit dies wieder aufgeholt werden kann, damit Urlaub und auch Krankheitstage bezahlbar werden", begründete Kentzler seinen Vorstoß. Der Handwerks-Präsident forderte die Tarifparteien auf, entsprechende Regelungen auszuhandeln.

Ver.di-Chef Frank Bsirske regierte mit scharfer Kritik auf die Forderung. Bei dem Vorschlag von Otto Kentzler handele es sich um eine "abstruse Idee", sagte Bsirske dem Tagesspiegel.

Kritik aus der Gewerkschaft

Hinter dem Vorstoß stecke nichts anderes als die Absicht, die Arbeitszeiten zu verlängern. "Der Jahresurlaub ist zur Wiederherstellung der Arbeitskraft und nicht zum Auskurieren von Krankheiten gedacht", betonte der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft.

Ohnehin hätten die Krankheitszeiten von Arbeitnehmern in Deutschland in einem erschreckenden Maße abgenommen. "Die Menschen sind nicht weniger krank, sondern sie gehen trotz Krankheit zur Arbeit, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben", betonte Bsirske.

Krankenstand stark zurückgegangen

Massive Kritik an der Forderung Kentzlers übte auch der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner. "Wir haben in Deutschland den niedrigsten Krankenstand, den wir jemals in der Bundesrepublik hatten.

Das deutet darauf hin, dass bei uns nicht krankgefeiert wird", sagte er der Leipziger Volkszeitung. Gerade denen, die durch eine schwere Erkrankung länger von der Arbeit wegbleiben müssten, dürfe nicht die Möglichkeit einer notwendigen Erholung genommen werden. Dadurch würden nur längere Krankheitszeiten produziert. "Insofern ist ein solcher Vorschlag nicht nur unsozial, sondern auch ökonomisch unsinnig", sagte Brandner.

Auch der Einzelhandel fordert

Das Handwerk ist nicht die einzige Branche, die an die Urlaubsregelungen ran will - auch der Einzelhandel fordert Änderungen. "Sonderurlaube sollten komplett gestrichen werden", forderte der Sprecher des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels, Hubertus Pellengahr in der Leipziger Volkszeitung.

Zusätzliche Urlaubstage für Hochzeit, Beerdigungen oder Umzüge seien angesichts von 28 bis 30 Tagen Jahresurlaub ein Luxus, den sich die Wirtschaft nicht mehr leisten könne. Ebenso sollten die Brückentage zur Disposition gestellt werden. Wenn Arbeitnehmer mit nur einem Urlaubstag fast eine ganze Woche freinehmen könnten, dann sollte der Feiertag auch als Urlaub angerechnet werden, sagte Pellengahr. "Das bedeutet nicht, dass wir die Feiertage abschaffen wollen."

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