Arbeitsmarktreform:Große Koalition gegen Hartz-IV-Missbrauch

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Bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV wollen die Spitzen von Union und SPD verstärkt gegen den Missbrauch beim Arbeitslosengeld II vorgehen.

Die designierte Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angesichts der Kostenexplosion beim Arbeitslosengeld II Veränderungen bei der Arbeitsmarktreform Hartz IV angekündigt. Es reiche nicht, den Missbrauch beim Arbeitslosengeld II zu bekämpfen, sagte die CDU-Politikerin der Bild am Sonntag.

"Wir müssen uns vielmehr mit den prinzipiellen Konstruktionsschwächen beschäftigen, die den Missbrauch ermöglichen." Auch der designierte Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) kündigte Konsequenzen an.

"Nah an die Menschen"

Merkel beklagte, dass die Bundesrepublik heute zehn Milliarden Euro mehr für die gleichen Probleme wie im vergangenen Jahr ausgebe. "Gespart wird, wenn wir die Entscheidungen möglichst nah an die Menschen bringen. Und da setze ich auf die kommunale Ebene", sagte sie. Sie wolle aber den Koalitionsverhandlungen nicht vorgreifen.

Auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff forderte im Focus: "Wir müssen die Arbeitsmarktpolitik verantwortlich in die Hände der Kommunen geben - organisatorisch und finanziell. Dafür sollte auch das Grundgesetz geändert werden." Bislang teilen sich Kommunen die Aufgabe mit der Bundesagentur für Arbeit.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel begrüßte Wulffs Vorstoß und forderte erneut die Auflösung der Bundesagentur.

"Unter Dehnung des Gesetzes Geld einkassiert"

Müntefering sagte dem Spiegel, dass die Höhe der Leistungen nicht zur Debatte stehe, aber "dass Leute rumtricksen, kann man nicht akzeptieren". Man könne nicht einfach zuschauen, dass über das Notwendige hinaus und unter Dehnung des Gesetzes Geld einkassiert werde.

Der scheidende Arbeitsminister Wolfgang Clement verteidigte sein Vorgehen gegen Missbrauch beim Arbeitslosengeld II. Er könne nicht zulassen, dass Menschen auf Kosten anderer lebten und Unterstützung von der Allgemeinheit erhielten, wenn sie nicht dazu berechtigt seien. "Das nenne ich parasitäres Verhalten", sagte Clement.

Es gebe Erhebungen, nach denen mindestens zehn Prozent der Langzeitarbeitslosen nicht berechtigt seien, Arbeitslosengeld II zu erhalten. Hinzu kämen noch rund 20 Prozent, die sich weigerten, über ihre Lebensverhältnisse Auskunft zu geben.

Koch: "Falsches Gesetz"

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) machte ein falsches Gesetz für die Kostenexplosion bei Hartz IV verantwortlich. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften sei innerhalb eines Jahres um mindestens 40 Prozent gestiegen. In vielen Fällen handele es sich aber nicht um Missbrauch, stattdessen würden geltende Regeln angewendet.

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sprach sich für Änderungen an der Gesetzgebung aus und verwies dabei auf handwerkliche Fehler der rot-grünen Bundesregierung. "So wie Hartz IV jetzt funktioniert, ist das vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen", sagte er dem Tagesspiegel. "Alle sind sich jetzt einig, dass dies korrigiert werden muss."

"Generalverdacht falsch"

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer warnte in derselben Zeitung erneut davor, "Arbeitslose unter Generalverdacht zu stellen, umso weitere Leistungsverschlechterungen vorzubereiten".

Der Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) kritisierte, dass die mit Hartz IV "politisch ausdrücklich gewollte Ausweitung des Empfängerkreises nun wieder in Frage gestellt" werde.

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