Arbeitsmarkt:"Von der Wohlfühlstimmung bleibt nichts übrig"

Lesezeit: 2 min

Der Anstieg der Arbeitslosenzahl auf fünf Millionen ist von den Parteien im Bundestag sehr unterschiedlich interpretiert worden: Während die Opposition den Optimismus innerhalb der großen Koalition als substanzlos hinstellte, vermochte die Regierung "Lichtblicke" zu erkennen.

Die Grünen beurteilten die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter als kritisch. "Von der Wohlfühlstimmung in der großen Koalition bleibt für die Arbeitslosen nichts übrig", sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Brigitte Pothmer, zu den jüngsten Daten aus Nürnberg.

Eine Frau verfolgt im Fernsehen die Berichterstattung über die Lage auf dem Arbeitsmarkt im Januar. (Foto: Foto: dpa)

Pothmer warf dem zuständigen Minister Franz Müntefering vor, er wisse nicht, was er wolle. Als Arbeitsminister verlängere er die so genannte 58er-Regelung, die nichts anderes sei als eine Abschieberegelung für Ältere.

"Durchwursteln auf hohem Niveau"

Als Sozialminister hingegen verschärfe er das Tempo für die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. "Das ist Durchwursteln auf hohem Niveau, aber keine Strategie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit", erklärte die Grünen-Politikerin.

Müntefering sah hingegen trotz des Wiederanstiegs der Arbeitslosenzahl auf über fünf Millionen eine rückläufige Tendenz der Erwerbslosigkeit. Die Januar-Entwicklung am Arbeitsmarkt führte der Arbeitsminister auf die ungünstige Witterung zurück: "Der kalte Winter hat die Arbeitslosenzahl im Januar steigen lassen", hieß es in einer Mitteilung Münteferings.

Trotz des "deutlichen Anstiegs" auf 5,012 Millionen Arbeitslose sei die Tendenz der Arbeitslosigkeit in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresmonat rückläufig.

"Auftrag und Ansporn"

Der Anstieg zeige "die Größe der Aufgabe", die vor Wirtschaft und Politik liege. Die Zahlen seien "Auftrag und Ansporn, den eingeschlagenen Weg aus Wachstumsförderung, Reformen der sozialen Sicherungssysteme und Arbeitsmarktreformen mutig, konsequent und zuversichtlich fortzusetzen".

Müntefering wertete es positiv, dass das Stellenangebot im Januar deutlich über Vorjahresniveau lag. Nach seiner Einschätzung scheint der Abbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gestoppt.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla betonte, dass 70 Tage nach dem Ende von Rot-Grün "keine Wunder" am Arbeitsmarkt erwartet werden dürften. "Die Zahlen zeigen nachdrücklich, dass die jetzige Bundesregierung erst am Anfang steht", hieß es in einer Erklärung Pofallas.

Es gebe aber "durchaus Lichtblicke": So betonte auch Pofalla, dass sich der Abbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse "merklich verlangsamt" habe.

"Beschlüsse konsequent umsetzen"

Der CDU-Generalsekretär plädierte dafür, noch in diesem Jahr die im Koalitionsvertrag festgelegten Beschlüsse zur Arbeitsmarktpolitik konsequent umzusetzen: "Alle Arbeitsmarktinstrumente müssen auf den Prüfstand."

Die FDP bekräftigte hingegen ihre Forderung nach Flexibilisierung des Arbeitsrechts. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, verlangte am Dienstag einen weniger starren Kündigungsschutz.

Im Koalitionsvertrag werde nur ein "bisschen Kosmetik" angekündigt. Über fünf Millionen Arbeitslose zeigte, dass Besserung auf dem Arbeitsmarkt noch in weiter Ferne sei. "Die schwarz-rote Bundesregierung muss ihren Winterschlaf schleunigst beenden", erklärte Brüderle.

"Bilanz des Misserfolgs"

Auch der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, bewertete die Zahl von fünf Millionen Arbeitslosen als "Bilanz eines Misserfolgs". Die Zahl zeige gleichzeitig "das Scheitern einer Politik, die konsequent verzichtet auf Wachstum und Beschäftigung", kritisierte der ver.di-Chef. Eine durchgreifende Besserung am Arbeitsmarkt erwarte er nicht.

Ähnlich äußerte sich der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Oskar Lafontaine. Er kritisierte, dass sich die Bundesregierung über die Einführung der Rente mit 67 streite, während aktuell überdurchschnittlich viele ältere Menschen arbeitslos geworden seien. Menschen über 45 Jahre seien von Entlassungen besonders betroffen. Zugleich verkürze die Regierung ab Februar vor allem zu Lasten Älterer die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: