Arbeitsmarkt:Jobs zu vergeben

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Arbeiter aus Polen oder Tschechien kommen hierzulande nur schwer an Jobs - bislang. Jetzt will Arbeitsminister Müntefering offenbar rasch den Arbeitsmarkt gen Osten öffnen. Eine kluge Idee?

Soll Deutschland seinen Arbeitsmarkt gen Osten öffnen? Entsprechende Überlegungen der Bundesregierung stoßen auf ein geteiltes Echo.

Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft zeigten sich angetan. "In Osteuropa gibt es jede Menge qualifizierter Fachkräfte. Es ist für uns unglaublich wichtig, dass wir schnell Zugang zu diesen Arbeitskräften bekommen", sagte Arndt Kirchhoff, Chef des BDI- Mittelstandsausschusses, der Financial Times Deutschland.

Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), sagte der Zeitung: "Der Fachkräftemangel entwickelt sich zu einer ernsthaften Konjunkturbremse. Dieser Engpass wird zum Standortnachteil." Wansleben forderte auch eine deutliche Absenkung der Mindesteinkommensgrenzen für hochqualifizierte Ausländer, die in Deutschland arbeiten möchten.

"Wenn es mit dem Arbeitskräftemangel in Deutschland so weiter geht, wäre es denkbar, die Beschränkungen für osteuropäische Arbeitnehmer schon vor dem Jahr 2009 aufzuheben", hatte der Parlamentarische Staatssekretär im Arbeitsministerium, Gerd Andres (SPD), angekündigt. Darüber ist noch nicht entschieden. Arbeitsminister und Vorgesetzter von Andres ist Franz Müntefering (SPD).

Seit 2004 gilt in Deutschland eine EU-Sonderregelung, die osteuropäische Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt fernhält. Die Blockade gilt bis 2009 und kann maximal bis 2011 verlängert werden.

Staatssekretär Andres hatte seine Vorschläge an Bedingungen geknüpft, etwa an Mindestlöhne in betroffenen Branchen. Als Beispiel für den Mangel an Fachkräften nannte Andres die Landwirtschaft, die über einen Mangel an Erntehelfern klagt. Auch der Engpass bei Ingenieuren in Deutschland spreche für eine Öffnung des Arbeitsmarktes

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat die Bundesregierung davor gewarnt, den heimischen Arbeitsmarkt bald für Osteuropäer zu öffnen. Dann drohe ein "Lohndumping ungeahnten Ausmaßes", erklärte das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Die derzeitige Beschränkung der Freizügigkeit gelte mit Bedacht bis mindestens 2009. Sie dürfe erst gelockert werden, wenn der deutsche Arbeitsmarkt vollständig vor Lohndumping geschützt sei, sagte sie.

SPD-Vize Stiegler: Arbeitslose deutsche Ingenieure haben Vorrang

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) äußerte sich skeptisch zu den Überlegungen. "Eine Liberalisierung der Arbeitsmärkte für Osteuropa ist frühestens ab 2009 möglich", sagte Milbradt. In den unteren Lohnbereichen und Qualifikationen sollte die Zulassung osteuropäischer Arbeitnehmer aber auf jeden Fall vermieden werden", sagte Milbradt.

Der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Ludwig Stiegler, sagte der Passauer Neuen Presse: "Ich erwarte, dass die Wirtschaft in Vorleistung geht. Bisher klagt sie nur über Facharbeitermangel, tut aber selbst zu wenig, um ihn zu beheben." Zudem sollten erst die 30.000 Ingenieure eingegliedert werden, die in Deutschland arbeitslos gemeldet seien.

Zurückhaltend äußerte sich auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Laurenz Meyer. Der CDU-Politiker unterstrich: "Wir haben jetzt einen Sog-Effekt. Erstmalig schaffen Menschen mit Arbeitslosengeld II in größerer Zahl die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt."

Diesen Effekt müsse die Politik verstärken. "Wir dürfen ihn nicht dadurch stören, dass wir preiswerte Arbeitskräfte aus dem Osten auf solche Positionen kommen lassen", mahnte Meyer. Die Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit sollten "mindestens bis 2009" gelten.

Warnungen vor Lohndumping kamen vom CDU-Arbeitsmarktexperten Uwe Schummer. Eine "vorschnelle Öffnung" des Arbeitsmarkts wäre ein "völlig falsches Signal", sagte Schummer. Damit werde die "Geiz-ist-geil-Mentalität von Unternehmern unterstützt, lieber billige Facharbeiter zu importieren als selbst auszubilden".

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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