Arbeitsmarkt:Der Wonnemonat fiel aus

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Trotz einer unerwartet deutlichen Erholung im Mai lässt die Trendwende am Arbeitsmarkt weiterhin auf sich warten. Mit 4.342.400 erreichte die Zahl der Erwerbslosen den höchsten Mai-Stand seit der Wiedervereinigung.

"Die Wachstumsschwäche belastet weiterhin den Arbeitsmarkt", kommentierte der Vorstandschef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Florian Gerster, am Donnerstag die neuesten Zahlen.

Arbeitssuchende vor dem Landesarbeitsamt Saarbrücken. (Foto: dpa)

"Silberstreif am Horizont"

Auch Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) sieht noch keinen Hinweis auf eine Trendwende. Angesichts des Rückgangs der Erwerbslosenzahl um 152.800 im Vergleich zum April sprach er aber von einem "Silberstreif am Horizont".

Die "objektiven Voraussetzungen" für eine wirtschaftliche Belebung nach dem Irak-Krieg seien gut. Auch die neuen arbeitsmarktpolitischen Instrumente würden zunehmend wirken.

Nach den Daten der Bundesanstalt fiel die Frühjahrsbelebung zwar deutlicher aus als von Experten erwartet. Im Vergleich zum Mai vergangenen Jahres waren aber immer noch 396.000 Menschen mehr ohne Beschäftigung. Die Arbeitslosenquote sank von 10,8 im April auf 10,4 Prozent. Saisonbereinigt ging die Arbeitslosenzahl erstmals seit Anfang 2002 zurück.

Vermittlungsoffensive

Diese vergleichweise günstige Entwicklung führte Gerster vor allem auf die Vermittlungsoffensive der Bundesanstalt und die eingeleiteten Reformen am Arbeitsmarkt im Zuge der Hartz-Gesetze zurück.

"Unsere neuen Instrumente beginnen langsam zu greifen", sagte Gerster. Dazu gehörten auch die Bemühungen der Arbeitsämter, die "Statistik der Wahrheit anzunähern".

Als Beispiel nannte er verstärkte Bestrebungen, alle Arbeitslosen aus der Statistik zu streichen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünden. "Die Statistik muss transparent sein", unterstrich er.

Kindergeldanspruch

Zu diesen Fällen gehörten etwa junge Leute bis 25 Jahren, die sich häufig allein zur Sicherung des Kindergeldanspruchs ihrer Eltern arbeitslos meldeten. Der Bundesrechnungshof hatte ermittelt, dass rund ein Fünftel der registrierten Erwerbslosen in Wahrheit keine Arbeit sucht.

Auch den Rückgang der um jahreszeitliche Einflüsse bereinigten Erwerbslosenzahl um 4.000 auf 4,453 Millionen führt die Bundesanstalt weniger auf die Konjunktur zurück als vielmehr auf die verstärkten Bemühungen der Arbeitsämter.

Gerster betonte, rund ein Drittel der abgemeldeten Arbeitslosen verzichtete auf eine Verlängerung ihrer amtlichen Registrierung, obwohl sie keinen Job gefunden hätten. Von einer Resignation der Betroffenen wollte er aber nicht sprechen.

5-Millionen-Schwelle

Unterdessen erwartet BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt auch im kommenden Winter nicht, dass die Arbeitslosenzahl die psychologisch wichtige Schwelle von fünf Millionen überschreiten wird. Alle wirtschaftlichen Indikatoren wiesen darauf hin, dass diese Marke im Januar 2004 nicht erreicht werde.

Unklar ist nach Angaben seines Vorstandskollegen Frank Jürgen Weise noch der Zuschussbedarf des Bundes zum aktuellen BA-Haushalt.

Ob die bisher veranschlagten 6,7 Milliarden Euro ausreichen würden, hänge vom weiteren Konjunkturverlauf ab. Ende Mai hatte die Lücke im BA-Haushalt Weise zufolge rund 4 Milliarden Euro betragen. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit seien in den ersten fünf Monaten rund eine Milliarde Euro weniger Beiträge in die BA-Kasse geflossen. Die Mehrausgaben lagen bei drei Milliarden.

8,2 Prozent

In Westdeutschland ist die Zahl der Arbeitslosen im Mai um 96.200 auf 2.714.800 zurückgegangen. Im Vergleich zum Mai 2002 ist das eine Steigerung um 306.100. Die Arbeitslosenquote lag bei 8,2 Prozent nach 8,6 im April.

Im Osten waren im Mai 1.627.500 Männer und Frauen als arbeitslos registriert - und damit 56.600 weniger als im April. Im Vergleich zum Mai 2002 waren 89.800 Menschen mehr ohne Beschäftigung. Die Quote lag bei 18,6 Prozent (April: 19,1 Prozent).

Für die Union kritisierte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Arbeit, Karl-Josef Laumann, die jüngste Arbeitslosenzahl sei die höchste "in den 58 Jahren nach Kriegsende". Die Regierung sei nicht in der Lage, Reformen für eine Trendwende anzupacken.

"Allmählich System gefährdende Ausmaße"

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle kritisierte, die Massenarbeitslosigkeit nehme "allmählich System gefährdende Ausmaße an".

Auch DGB-Vize-Vorsitzende Ursula Engelen- Kefer sieht keine Trendwende am Arbeitsmarkt. "Die unbefriedigende Konjunkturentwicklung schlägt weiterhin auf den Arbeitsmarkt durch."

(sueddeutsche.de/dpa)

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