Arbeitslose:Kampf mit den fünf Millionen

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Der Kanzler wollte die Arbeitslosenzahl deutlich senken, aber er scheiterte - die Opposition würde es mit noch mehr Härte probieren.

Von Nina Bovensiepen

Die Ankündigung des Regierungssprechers dürfte manche Genossen enttäuscht haben. Der Kanzler werde mit einer unveränderten Regierung in den abrupt gestarteten Wahlkampf gehen, erklärte Béla Anda am Montag und orakelte, das Kabinett stehe "im Licht der Erfolge, die es vorweisen kann".

Die Hoffnung mancher Parteilinker, Gerhard Schröder könnte die Gunst der Stunde nutzen, um Wirtschaftsminister Wolfgang Clement auszutauschen, geht damit vorerst nicht in Erfüllung.

Clement gilt vielen bei Rot-Grün als Sündenbock. Er ist der Hartz-IV-Minister, also verantwortlich für jenes Gesetzeswerk, das einst als "Mutter aller Reformen" gepriesen wurde und nun als Milliardengrab geschmäht wird. Und er ist der Minister der fünf Millionen Arbeitslosen und damit zuständig für die Schreckenszahl, die im Wahlkampf die entscheidende Rolle spielen wird.

Fatale Aussage

Es war allerdings nicht Clement, sondern Schröder, der im September 1998 gegen den damaligen Kanzler Helmut Kohl mit der Aussage antrat: "Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit signifikant zu senken, dann haben wir es weder verdient, wiedergewählt zu werden, noch werden wir wiedergewählt."

Damals wies die Statistik 3,97 Millionen Menschen in Deutschland als arbeitslos aus. Im April 2005 waren es 4,97.

Vor allem mit der Anfang dieses Jahres erfolgten Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II wollte die Regierung die Massenarbeitslosigkeit anpacken. Ob die unter dem Motto "Fordern und Fördern" gemachte Reform je die erhoffte Wirkung entfalten wird, ist umstritten.

Ratlosigkeit überall

Ob Union und FDP über bessere Rezepte gegen das Grundübel verfügen, ist allerdings ebenso fraglich. Offiziell mögen ihre Arbeitsmarktexperten jeden Monat, wenn die Zahlen aus Nürnberg vorliegen, auf die Regierung schimpfen. Wenn die Kameras aus sind, räumt aber auch mancher Fachmann von Schwarz-Gelb Ratlosigkeit angesichts des Problems ein.

An Hartz IV würde eine neue Regierung - über die beim Job-Gipfel beschlossenen Korrekturen hinaus - wohl kaum etwas ändern. Die Reform war ein parteiübergreifendes Projekt, das Nebeneinander der zwei Hilfesysteme Arbeitslosen- und Sozialhilfe wollten alle abschaffen.

Im Übrigen gilt für die Arbeitsmarktpolitik, dass Arbeitnehmer und Gewerkschaften von FDP und Union einen härteren Kurs zu erwarten hätten als von Rot-Grün. Hinweise darauf bot das von zunächst zehn auf dann 32 Punkte angewachsene Programm, mit dem Angela Merkel (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) zum Job-Gipfel im Kanzleramt kamen.

Zusammengefasst lautet der Tenor: Die Betriebe müssen von Steuern, Abgaben und Bürokratie entlastet werden, die Arbeitnehmer müssen flexibler und die Macht der Gewerkschaften begrenzt werden - dann entstehen neue Jobs.

Einschnitte für Arbeitnehmer

Konkret will die Union zum Beispiel den Kündigungsschutz weiter verringern. Bei Neueinstellungen soll er in den ersten drei Jahren nicht wirken und zudem nur in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern gelten.

Weiter treten CDU, CSU und FDP schon lange dafür ein, dass die Unternehmen ihre Beschäftigten länger und flexibler arbeiten lassen können. Statt der in Deutschland zulässigen Arbeitszeit von zehn Stunden pro Tag favorisiert die Union Wochenarbeitszeiten von bis zu 65 Stunden.

Um Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen, sollen Betriebe Arbeitnehmer zeitweise unter Tarif beschäftigen können. Die von Rot-Grün durchgesetzte Reform des Betriebsverfassungsgesetzes soll rückgängig gemacht und der Einfluss der Gewerkschaften begrenzt werden, indem betriebliche Bündnisse gestärkt werden.

"Reif für den Aktenordner"

Die Gewerkschaften wenden sich mit Grausen ab, wenn sie hören, wie die Opposition Jobs schaffen will. Clement spottet, die Konzepte seien "reif für den Aktenordner".

Merkel und Stoiber schrieben in ihrem Brief, mit dem sie Schröder zum Job-Gipfel aufforderten, was Regierung und Opposition im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit trenne, "ist die Antwort auf die Frage, was jetzt getan werden kann und getan werden muss". Dem Wähler bieten sich damit immerhin klar unterscheidbare Alternativen.

© SZ vom 24.05.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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