Anleihen:Schuldenkaufen in Hongkong

Lesezeit: 2 min

In Hongkong ist der Anleihenmarkt der Volksrepublik China jetzt an den weltweiten Markt gekoppelt. (Foto: Philippe Lopez/AFP)

China öffnet seinen lange Zeit abgeschotteten Anleihemarkt für ausländische Investoren - es ist aber noch eine Einbahnstraße.

Von Christoph Giesen und Jan Willmroth, Peking/Frankfurt

An der Wall Street in New York scheppert zum Handelsauftakt eine Glocke. Monoton und laut wie auf dem Bau. Das Signal: Es geht los, an die Arbeit, Ihr Trader! In Hongkong mögen sie es deutlich dezenter. Einen Gong haben sie in den Handelssaal geschafft. Zwei Männer, ein gleichzeitiger Schlag, nicht zu fest und dennoch: Ein lang anhaltender tiefer Ton erklingt, der erst ganz allmählich verebbt, der sich fast davonstiehlt, als wäre er nie dagewesen. Dabei ist das Ereignis, das an diesem Montagmorgen mit genau einem Gongschlag eingeleitet wurde, durchaus gewaltig: Der Anleihenmarkt der Volksrepublik ist künftig an den internationalen Markt gekoppelt.

Sogenannte qualifizierte Investoren wie etwa Zentralbanken, staatliche Fonds und andere große Finanzinstitutionen können nun chinesische Schuldverschreibungen kaufen. Bislang hatten ausländische Investoren so gut wie keinen Zugang zu chinesischen Anleihen. Nur etwa 1,5 Prozent des etwa zehn Billionen Dollar schweren Marktes wurden von nichtchinesischen Anlegern gehalten.

China gehört mit den Vereinigten Staaten und Japan zu den am höchsten verschuldeten Ländern weltweit. Viele Schulden, viele Anleihen. Es handle sich zunächst um ein "Experiment", teilten die Zentralbank in Peking und die Finanzbehörde in Hongkong mit. Allerdings mit beachtlichem Umsatz. Am ersten Handelstag zählte die Börse in Hongkong insgesamt 142 Transaktionen, durchgeführt von 89 Finanzfirmen und professionellen Anlegern. Der Gesamtwert der gekauften Anleihen betrug gut sieben Milliarden Yuan - etwa 915 Millionen Euro. Zu den ersten Käufern gehörte am Montag die Großbank HSBC. Man habe die neue Möglichkeit bereits genutzt und Anleihen der Agricultural Bank of China gekauft und so der chinesischen Bank Geld geliehen, teilte HSBC mit. Auch die Hong Kong Monetary Authority, Standard Chartered und BNP Paribas waren aktiv.

Der Anleihenmarkt ist für sämtliche Volkswirtschaften eine der wichtigsten Kapitalmärkte. Er stellt wirtschaftliche Dynamik her und ist damit eine der Grundlagen für Wachstum: Staaten refinanzieren sich dort über Staatsanleihen, Unternehmen nehmen neues Kapital für Investitionen auf, indem sie Anleihen begeben, und Investoren profitieren von den regelmäßig gezahlten Zinsen und handeln mit den Papieren. Die Höhe der Zinsen übt eine wichtige Lenkungsfunktion aus, sie zeigt das Risiko einer Anleihe an und damit die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schuldner zahlungsunfähig wird. Für Firmen sind Anleihen eine wichtige Alternative zu Bankkrediten - und für viele chinesische Privatunternehmen die einzige Möglichkeit, große Mengen an Fremdkapital aufzunehmen.

Bislang jedoch waren Chinas Märkte weitgehend abgeschottet. Seit Kurzem verspricht Peking allerdings Lockerungen. So dürfen ausländische Unternehmen mittlerweile Aktien einiger chinesischer Firmen kaufen. Vor knapp zwei Wochen wurden erstmals chinesische Aktien Teil des MSCI-Schwellenländer-Index, der Papiere aus mehr als 20 aufstrebenden Volkswirtschaften enthält. Die chinesische Aktien können allerdings ausschließlich via Hongkong gekauft werden, das gilt nun auch für die Firmenanleihen. Über das System "Bond Connect" ist die Börse in Hongkong mit der Volksrepublik verbunden.

Interessant ist die Öffnung vor allem für Chinas Mittelstand. Diese Unternehmen bilden das Rückgrat der chinesischen Volkswirtschaft, gelten aber als notorisch unterfinanziert. Das Problem: Die großen Staatsbanken verleihen mit Vorliebe an Staatskonzerne. Denn sollte es einmal zum Kreditausfall kommen, bürgt ohnehin der Staat. In den vergangenen Jahren sind die Darlehen für staatliche Konglomerate so auf etwa 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsen. Alleine Chinas Staatsbahn hat vier Billionen Yuan Schulden angehäuft. Das entspricht gut sechs Prozent der Wirtschaftsleistung der Volksrepublik. Rechnet man es in Euro um, sind es 520 Milliarden. Zum Vergleich: Griechenlands Staatsschulden betragen etwa 320 Milliarden Euro.

Bislang ist es der Anleihenmarkt noch eine Einbahnstraße. "Northbound" nennen die Banker in Hongkong das. Schließlich grenzt die Volksrepublik nördlich an die ehemalige Kronkolonie. Investoren können zwar Anleihen chinesischer Firmen kaufen. Chinesische Käufer hingegen können nicht außerhalb Chinas tätig werden - "Southbound" wäre das. Aufgrund der strikten Kapitalverkehrskontrollen in der Volksrepublik ist an eine weitere Öffnung derzeit nicht zu denken.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: