Angst vor Blockade:Wirtschaft erhöht Druck auf die Union

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Die Wirtschaftsverbände warnen die Union davor, die Reformagenda der Regierung im Bundesrat zu blockieren. "Dieses Programm ist zumindest ein Ansatz, auf den richtigen Weg zu kommen", sagte DIHK-Chef Ludwig Georg Braun der Süddeutschen Zeitung.

Andreas Hoffmann und Robert Jacobi

(SZ vom 12.06.03) - CDU/CSU sollten das Paket verbessern, nicht verhindern. Der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) rechnet zwar nicht damit, dass die Reformen einen wirtschaftlichen Schub auslösen. "Der Spielraum der Politik ist sehr begrenzt", sagte Braun.

Hat Angst, dass die Interessen der Wirtschaft politischen Machtspielen zum Opfer fallen könnten: Handwerkspräsident Ludwig Georg Braun. (Foto: AP)

Wie zuvor schon Industrieverbandschef Michael Rogowski forderte er allerdings die Union auf, die Parteitaktik hintanzustellen und das Paket nicht im Bundesrat zu blockieren. Stattdessen sollten CDU und CSU beispielsweise beim Kündigungsschutz die Pläne von Rot-Grün nachbessern.

Braun sieht zwar erste Anzeichen dafür, dass es der deutschen Wirtschaft langsam besser geht. "In diesem Jahr muss man aber mit einem ganz bescheidenen Wachstum zufrieden sein, das sich auf dem Arbeitsmarkt nicht bemerkbar macht", sagte er.

"Konstante Verteuerung von Arbeit"

Die Unsicherheit in der Bevölkerung sei noch zu groß. Dazu komme die "konstante Verteuerung von Arbeit", die Arbeitgeber und Gewerkschaften mit ihren Tarifabschlüssen verursacht hätten. Dies gefährde die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.

Der Tarifstreit in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie beruhe auf "alter Politik, die dies überhaupt nicht reflektiert".

Braun forderte die Regierung auf, das Günstigkeitsprinzip im Tarifvertragsrecht aufzuheben. Dann könnten betriebliche Zwänge bei der Lohnfindung besser berücksichtigt werden.

"Erpressungspotenzial"

Auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte am Mittwoch, die Macht der Gewerkschaften bei Tarifverhandlungen einzuschränken. Das Tarifrecht verleihe Minderheiten ein "Erpressungspotenzial, das mit dem Grundgedanken der Tarifautonomie unvereinbar ist".

Der Gesetzgeber müsse einschreiten, weil das Verhalten von IG Metall und Verdi zu einer Flucht der Betriebe aus dem Tarifrecht führe. Keinesfalls dürfe eine Minderheit der Arbeitnehmer einen Streik erzwingen können, wie es im Osten geschehen sei.

Auch Rogowski sagte, dass der Aufbau in den neuen Bundesländern nur vorankomme, wenn sich die Tarifparteien bei der Lohnfindung zurückhielten.

"Papiertiger"

Die Wirtschaft wies die Überlegungen der Bundesregierung für eine Ausbildungsplatzabgabe erneut scharf zurück. "Das ist ein Papiertiger, den man zwar umsetzen kann, aber das Ziel wird damit nicht erreicht", sagte Braun.

Seiner Prognose nach werden zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres in diesem Herbst rund 30.000 Jugendliche nicht versorgt sein. In den nächsten beiden Jahren könnten ähnlich viele Ausbildungsplätze fehlen.

Die Wirtschaft bemühe sich, das Problem auf freiwilliger Basis zu lösen. Eine Abgabe greife hingegen zu stark in die Entscheidungsfreiheit der Betriebe ein.

"Reform der Handwerksordnung richtig"

DIHK-Chef Braun bezeichnete die Reform der Handwerksordnung, die ebenfalls Bestandteil des Regierungsprogramms ist, als "ordnungspolitisch richtig". Es sei auch im europäischen Vergleich "schwer verständlich, warum ein Friseur unbedingt einen Meisterbrief braucht".

Das Thema sei allerdings "emotional besetzt", weshalb der Widerstand im Handwerk verständlich sei. Auch dürfe die Ausbildungsleistung der Handwerksbetriebe nicht gefährdet werden.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag trägt das Vorhaben der Regierung mit, Existenzgründer in den ersten vier Jahren von den Kammerbeiträgen freizustellen. Auch eine Freigabe der Architektenhonorare befürwortete Braun, wenn zugleich Mindestentgelte für bestimmte Leistungen erhalten blieben.

"Nachhaltigkeitsbericht"

Braun empfahl einen "gleichmäßigen schrittweisen Subventionsabbau", dessen Ertrag zur Hälfte in das Bildungssystem investiert werden könne. Die Bundesregierung solle mit dem Haushaltsentwurf künftig auch einen "Nachhaltigkeitsbericht" veröffentlichen.

Darin sollten langfristige Lasten wie Pensionszahlungen erkennbar sein. "Die Politik muss den Bürgern beichten, was wir zu Lasten der künftigen Generationen schon verbraucht haben", sagte Braun.

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