Angeklagter Ackermann:Sorge um das große Ganze

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Der Vorstandschef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, sieht durch den Prozess den Standort Deutschland gefährdet.

(SZ vom 20. September 2003) Die Deutsche Bank ist das mächtigste deutsche Geldinstitut, und es ist noch nicht allzu lange her, dass Vorstandsmitglieder dieses Geldhauses vor der Justiz gleicher als gleich waren. Als in den achtziger Jahren Strafverfolger aus dem SPD-regierten Hessen gegen Vorstandsmitglieder der Bank im Zusammenhang mit der illegalen Parteienfinanzierung wegen Steuerdelikten ermittelten, ließ die Justiz den Fall in die Verjährung treiben.

Es ging zwar um mehr als 25 Millionen Mark, aber ein Ermittler sprach damals von der "besonderen Qualität" der Angeschuldigten, die es zu berücksichtigen gelte.

Ackermann: Verfahren gefährdet Standort Deutschland

Diesmal kannten die Staatsanwälte aus dem ebenfalls sozialdemokratisch regierten Düsseldorf kein Pardon, und der Vorstandssprecher der Bank, Josef Ackermann, sowie etliche seiner Kollegen aus der deutschen Wirtschaft reagieren vorwiegend mit Fassungslosigkeit. Ein solches Verfahren würde "den Standort Deutschland gefährden", sagte schon vor Wochen der 55-jährige Ackermann der Süddeutschen Zeitung.

Er kenne mindestens eine Hand voll größerer Unternehmen, die sich bei einer Zulassung der Anklage durch ein deutsches Gericht nicht in Deutschland ansiedeln oder das Land verlassen würden. Wenn er wegen solch "haltloser Vorwürfe" vor Gericht müsse, so Ackermann, werde es überdies künftig noch schwieriger als bislang sein, ausländische Führungskräfte für den Wechsel in ein deutsches Unternehmen zu gewinnen.

Jurist: Staatsanwaltschaft verkennt Verfahrensabläufe der Unternehmen

Anfang März unterrichtete das Unternehmen seine 77000 Mitarbeiter in einer Hausmitteilung, die Anklage entbehre "jeglicher Grundlage". "Entgegen den in der Anklageschrift enthaltenen Mutmaßungen gab es weder einen Tatplan zur Ausbeutung der Mannesmann AG", hieß es in dem Schreiben, "noch hing die Übernahme von dem Versprechen einer Anerkennungsprämie an Dr. Esser ab."

Die Staatsanwaltschaft habe "die Verfahrensabläufe in einem Wirtschaftsunternehmen" verkannt, schrieben der Chefjurist der Bank, Reinhard Marsch-Barner, und Ackermann-Verteidiger Eberhard Kempf.

Dass bei einem Prozess gegen Ackermann der Wirtschafts- und Finanzplatz Deutschland in Gefahr geraten könne, haben Bankmanager und Berater auch die Regierenden in Nordrhein-Westfalen wissen lassen.

Der Münchner Unternehmensberater Roland Berger eilte im vorigen Jahr in Begleitung eines Anwalts nach Düsseldorf, um den damaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement in Stellung zu bringen. Clement konnte ihm nicht helfen, ließ aber danach Vertraute wissen, dass er die Argumentation der Strafverfolger nicht nachvollziehen könne.

Ackermann sagt, dass ihn "wichtige Politiker" in den vergangenen Monaten aufgefordert hätten "zu kämpfen". Auch den Bundeskanzler wähnt er auf seiner Seite.

Was im Fall Mannesmann und Ackermann passiere, sagte Unternehmensberater Berger in einem Interview, seien "Menschenjagd und Vorverurteilung. Den Schaden haben die Beteiligten und der Standort Deutschland." Wenn das so weiter gehe, sollten doch die Staatsanwälte in die Vorstände und Aufsichtsräte wechseln. Übersetzt heißt das: Armes Deutschland.

Ackermann: Anklage wimmelt von Fehlern

Ackermann meint, dass es in der Anklage von Fehlern wimmele. "Mindestens 50" habe er gefunden, aber am schlimmsten sei die "unhaltbare Komplott-Theorie" der Staatsanwälte. Danach hätten die Aufsichtsräte von Mannesmann bei ihrer Zustimmung zum Geldsegen für die Top-Manager nicht das Interesse des Unternehmens, sondern ihr persönliches Interesse im Auge gehabt. "Welches Interesse sollte ich gehabt haben?", fragt Ackermann.

Er habe so gehandelt, wie es international üblich sei. Der Bank-Chef verweist auf Expertisen angeblich unabhängiger Gutachter, die ihn entlasteten, und seine prominenten Anwälte erklären, die Strafverfolger hätten "gröbste Fehler" gemacht, weil sie vom Aktienrecht nichts verstünden.

Ackermann wird Amt als Bankchef nicht niederlegen

Bis zuletzt hat Ackermann gehofft, dass er von einem öffentlichen Verfahren verschont bleibe. Nun stellt sich die Frage, ob ein Vorstandsvorsitzender ein Unternehmen wie die Deutsche Bank führen und gleichzeitig Monate im Gerichtssaal verbringen kann. Vor 20 Jahren wurden schon einmal prominente Personen angeklagt. Damals ging es um den Fall Flick, und der damalige Dresdner-Bank-Chef Hans Friderichs sowie der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff waren ins Visier der Ermittler geraten.

Friderichs legte sein Amt bei der Bank nieder. Lambsdorff wartete ab, ob die Anklage zugelassen würde, und schied dann umgehend aus der Regierung aus. Die Zeiten und die Regeln haben sich seither allerdings geändert. Ackermann wird sein Amt als Bankchef nicht niederlegen.

Insgeheim hat er sich schon auf einen längeren Aufenthalt in Düsseldorf vorbereitet. In der Filiale der Deutschen Bank an der Königsallee wurde ein großes Büro für ihn eingerichtet. Ackermann wird in der Regel zweimal die Woche vor Gericht erscheinen müssen und will die Geschäfte der Bank während des Prozesses von Düsseldorf aus führen. Der Süddeutschen Zeitung sagte er: "Ich fühle mich in der Pflicht zu kämpfen."

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