Amerikanische Verhältnisse?:Verödung hier, Einkaufserlebnis da

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Es ist Samstagmorgen, 10.30 Uhr in der Innenstadt. Wo sind die Kundenmassen, die hier sonst herumtoben? Sie kommen etwas später — oder gar nicht mehr.

Dem Einzelhandel in den bayerischen Innenstädten geht es an den Kragen. Shopping-Center in städtischen Randlagen mit riesigen Parkplatzflächen rauben die Kunden, Sparwut und Rabattschlachten lassen die Umsätze kräftig schmelzen. "Die Innenstadt ist keineswegs mehr ein unangefochtener Bereich fürs Einkaufen, sondern da muss man was tun", sagt der Einzelhandels-Experte der Technischen Universität München, Günter Heinritz. Früher hätten sich die Einzelhändler oft hinter die Ladentheke gestellt und auf die Kunden gewartet. "Diese Zeiten der Handelsidylle sind sicher vorbei."

Tatort: Münchner Innenstadt am Samstagmorgen. Tat: Gähnende Leere. Opfer: Die alteingesessenen Geschäfte. Täter: Die großen Einkaufszentren im Grünen. (Foto: Foto: dpa)

Leerstände bis zu 30 Prozent

Die Leerstände in bayerischen Städten liegen nach Angaben des Einzelhandelsverbands zwischen 10 und 30 Prozent der Verkaufsflächen. Hinter die Glaswände ziehen oft Bäckerei- und Imbissketten oder Billigläden. Das nimmt dem Zentrum die Vielfalt und die Attraktivität. Als Folge kommen noch weniger Kunden in die Innenstädte.

Eines der Hauptprobleme sind die Parkplätze. Gerade in den für Bayern so typischen historischen Altstädten sind sie rar und teuer. Hier punkten Shopping-Center, die in Bayern wie in anderen Bundesländer an Zahl zunehmen: Rund 50 dieser Zentren mit mindestens 8000 Quadratmetern Verkaufsfläche gab es in Bayern nach Angaben des Starnberger Instituts für Gewerbezentren im vergangenen Jahr. "Groß suggeriert beim Käufer oft billig", sagt der Geschäftsführer des Landesverbands des bayerischen Einzelhandels, Bernd Ohlmann. Dazu komme das Erlebniselement: Einkaufen wird zum Ausflug.

Einkaufen wird zum Erlebnis

Uni-Experte Heinritz bestätigt diese These. Der Erlebniseinkauf spiele eine immer größere Rolle. "Konsum ist die Möglichkeit, sich von anderen zu unterscheiden, birgt die Gelegenheit zur Selbstverwirklichung", sagt der Geograph. Genau in diesem Aspekt liegt seiner Ansicht nach die Chance für Innenstädte.

Sie müssten sich inszenieren und mit ihren Pfunden wuchern. Heinritz denkt an gemeinsame Marktauftritte, an Events auf zentralen Plätzen, aber auch an die Fassadengestaltung. Wichtig sei zudem ein einheitliches Bild — etwa bei den Öffnungszeiten. "Die Qualität nicht der Waren, sondern der Einkaufsorte ist bedeutsam."

Nach Ansicht von Ohlmann werden diese Möglichkeiten in Bayern oft noch außer Acht gelassen. Er plädiert für pragmatische Lösungen wie die Brötchentaste beim Parken, also kostenfreies Kurzparken. Leerstehende Läden könnten kurzfristig Ausstellungsorte für Künstler werden. Entscheidend seien Interessengruppen, bei denen sich Vermieter, Händler und Politiker an einen Tisch setzten. Es gehe um Kompromisse und gemeinsame Strategien - etwa bei Denkmalschutz und Mietpreisen.

Eine Lösungsmöglichkeit: Der gemeinsame Auftritt

Für ein gemeinsames Auftreten macht sich Kaufhof in Regensburg stark. "Die Innenstadt muss sich wie ein Center organisieren", sagt Geschäftsführer Ralf Kammermeier. Gemeinsame Tische seien zwar gewöhnungsbedürftig und verlangten Überzeugungsarbeit, lohnten sich aber ungemein. In Nürnberg gibt es mit der Gemeinschaft "Erlebnis Nürnberg" bereits eine solche Vertretung.

"Wir brauchen gemeinsame Aktionen, damit die Leute gern in Stadt kommen, damit sie sich eingeladen fühlen", sagt der Organisationsleiter vom Nürnberger Kaufhof, Guido Herrmann. In der mittelfränkischen Region wachse derzeit ein Möbelzentrum nach dem anderen und ziehe andere Geschäfte nach. "Obwohl Nürnberg ein attraktiver Standort ist, müssen wir uns da schon warm anziehen."

Vorteile der Innenstadt

Handeln ist angesagt beim Einzelhandel, sagt auch Heinritz. Mancher Innenstadt gebe die Konkurrenz nützliche Impulse, um sich zu bewegen und zu verändern. Es gelte zudem, die gesellschaftliche Entwicklung zu beobachten. In einer alternden Bevölkerung spiele die Mobilität langfristig eine wichtige Rolle.

Innenstädte mit ihren kurzen Wegen könnten dadurch wieder zum Zuge kommen. Auch der zunehmende Anteil an Singles komme den Zentren zu Gute: Eine allein stehende Person, die möglicherweise zentrumsnah wohnt, braucht kein gigantisches Einkaufszentrum für den täglichen Bedarf.

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