Alcopops:Teuer macht nüchtern

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Jugendliche fahren auf die bunten Mixgetränke ab und saufen manchmal bis zum Umfallen. Deshalb fordern Suchtexperten und die Drogenbeauftragte der Bundesregierung eine drastische Verteuerung der Trend-Alkoholika.

Von Christina Berndt

(SZ vom 25.11.03) — So künstlich und kreischend sind die Farben, dass sie Erwachsenen eher den Appetit verderben. Vielen Jugendlichen aber machen poppige Alkohol-mischgetränke in Pink oder Grellorange Lust auf mehr.

Auf Partys trinken sie die ebenso grellen wie grellsüßen Mixturen auf Rum-, Whisky- oder Gin-Basis oft bis zum Umfallen. Von drei auf 13 Millionen Liter ist der Umsatz der "Alcopops" zwischen 2001 und 2002 gestiegen.

Deshalb denkt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marion Caspers-Merk darüber nach, die Trend-Alkoholika mit einer drastischen Zusatzsteuer zu belegen.

Blick ins Nachbarland

Erfahrungen in Frankreich hätten gezeigt, dass der Markt für die Getränke fast zusammenbreche, wenn sich der Preis verdoppele, sagte die SPD-Politikerin der Berliner Zeitung. Für Dezember erwartet das Gesundheitsministerium die Ergebnisse einer Untersuchung zum Alcopop-Konsum. Danach soll die Entscheidung fallen.

Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) sicherte schon jetzt ihre Unterstützung zu: "Die Berichte über Kinder und Jugendliche, die sich häufig mit Alcopops bis zum Vollrausch betrinken, machen mir große Sorge." Ohne Einschränkungen unterstützen auch Drogenexperten die Pläne von Caspers-Merk.

Alkohol schmeckt nicht

"Eine drastische Steuererhöhung ist genau das Richtige", sagt Karl Mann, Suchtforscher am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Große Mengen Zucker und Aromastoffe überdeckten den bitteren Geschmack des Alkohols in den Mischgetränken. "Am Anfang schmeckt Alkohol niemandem", sagt Mann.

"Aber die Getränke sind so aufbereitet, dass Jugendliche und sogar ältere Kinder sie gern in größerer Menge trinken." So würden die Alcopops zur Einstiegsdroge, die in ausschweifenden Konsum münden könne. Denn der Gehalt an dem Zellgift Alkohol ist größer als viele wissen. Er liegt meist bei fünf Prozent und entspricht damit dem von Bier.

Wirksame Maßnahmen

"Die Alcopops tragen mit zu dem Trend bei, dass Jugendliche immer früher mit dem Trinken beginnen", beklagt Mann. "Und hohe Preise gehören zu den wirksamsten Maßnahmen, um Jugendliche vom Alkohol fern zu halten."

Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigt eine aktuelle Studie: Demnach trinkt jeder dritte Junge und jedes vierte Mädchen mit 15 Jahren bereits regelmäßig.

Sechs Prozent der 14- bis 24-Jährigen gelten als abhängig, weitere zehn Prozent betreiben Alkoholmissbrauch - leiden also schon unter körperlichen, psychischen oder sozialen Folgeschäden.

"Das Gehirn junger Menschen ist noch besonders verletzlich", betont Mann. "Für Schäden ebenso wie für die Entstehung von Sucht."

Junge Zielgruppe

Dessen ungeachtet umwerben die Hersteller der Alcopops gezielt junge Menschen. "Die Getränke sind eindeutig unter diesem Marketinggesichtspunkt entstanden", sagt Michael Soyka, Psychiater und Suchtexperte an der Universität München.

Auch die Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren kritisiert, dass Werbung und Sponsoring oft direkt auf die Partyszene Minderjähriger ausgerichtet seien. Sogar das Design der Flaschen orientiere sich an den Trendvorstellungen der Jugendszene.

Da nütze auch die Selbstverpflichtung der Hersteller nichts, ihre Flaschen fortan mit dem Hinweis "ab 18 Jahren" zu bedrucken. "Das zieht Kinder eher noch mehr an", sagt Mann.

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