Albtraum Abwrackprämie:"Wir wissen nicht mehr, wohin damit"

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Für die einen ist die Abwrackprämie eine Goldgrube - für die anderen ein Schildbürgerstreich: Auf den Schrottplätzen herrscht Chaos.

Sie sind rot, blau und schwarz: Ratlos steht Jörg Pabst inmitten eines Berges von Corsas und Twingos. "Wir wissen teilweise nicht mehr, wohin damit." Die Kapazitätsgrenze auf seinem Schrottplatz in Dortmund ist trotz Sonderschichten erreicht.

"Die sollten sich mal informieren, was das für Folgen hat, die Abwrackprämie." (Foto: Foto: dpa)

Selbst auf dem ehemaligen Kundenparkplatz und dort, wo Pabst bis vor sechs Wochen Unfallautos abgestellt hat, stapeln sich nun die Stiefkinder der Abwrackprämie.

Täglich 30 neue Verwertungsnachweise

Auch das Ersatzteillager quillt über. Jahrelang hat Pabst von einer solchen Blechlawine nur träumen können. Jetzt, wo sie da ist, stellt der 45-Jährige fest: "Das ist ein Albtraum."

Drüben im Büro auf der anderen Straßenseite sitzt Ehefrau Beate Pabst-Berg. Über ihr hängt das Schild "Reparatur und Annahme".

Treffender wäre momentan die Aufschrift "Verwertungsnachweise". "Wir sind jetzt bei 478 und es hört nicht auf", stöhnt sie. Normalerweise verschrotten die Pabsts jährlich höchstens 150 Autos. Nun füllen sie täglich bis zu 30 neue Verwertungsnachweise aus. Man könne kaum noch Luft holen.

Noch enger dürfte es werden, nachdem die Bundesregierung am Mittwoch vereinbart hat, die Fördersumme für die Prämie aufzustocken.

"Das ist meiner Meinung nach ein Fehler", sagt Pabst. "Die sollten sich mal informieren, was das für Folgen hat, die Abwrackprämie." Der Markt könne sich gar nicht mehr richtig beruhigen.

Und seine Frau weiß: "Manche Kollegen haben schon angekündigt, dass sie keine Autos mehr annehmen." Wer noch annimmt, der verlange von den Händlern mittlerweile sogar Geld dafür. "Das hat sich eigentlich komplett umgekehrt", sagt Pabst.

Doch anders lohne es sich bei den stark gesunkenen Schrottpreisen nicht mehr. Pro Auto fallen rund 900 Kilo Schrott an. Eine Tonne davon bringe höchstens noch 20 bis 40 Euro ein, bestätigt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen in Düsseldorf, Ulrich Leuning. Vor einem Jahr waren es noch 100 Euro mehr.

Rausschlagen kann Pabst den niedrigen Schrottpreis derzeit auch dadurch nicht, dass er mehr Ersatzteile verkauft. Wegen des Überangebots seien auch da die Preise im Keller. "Die können sie anbieten wie sauer Bier", sagt er und zeigt auf seine Regale voller Katalysatoren, Anlasser und Lichtmaschinen.

Manchen Scheinwerfer zerstöre er bereits absichtlich, um das Angebot nicht weiter in die Höhe zu treiben. "Wenn ich 40, 50 Twingos habe und niemand will was aus einem Twingo haben, schmeiße ich das Auto eben weg." Er müsse radikal Platz schaffen für neue alte Autos. So kommt sein Recyclinghändler statt dreimal im Jahr nun alle drei Wochen.

Rund 570.000 Neuwagen wurden laut des Zentralverbandes Deutsches Kfz-Gewerbe durch die Abwrackprämie bereits verkauft, allein 114.000 in Nordrhein-Westfalen. "Das ist ein guter Impuls für das Kfz-Gewerbe in NRW", sagt Udo Stocks vom Landesverband in Düsseldorf. Als "Schildbürgerstreich" und "Flop des Jahres" bezeichnet hingegen der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Altauto in Regensburg, Gottfried A. Höll, die Bonuszahlung.

"Die gesamte Infrastruktur, die dahinter steht, bleibt auf der Strecke. Nur die Händler verdienen sich eine goldene Nase." 3,2 Millionen Autos werden laut Höll normalerweise jährlich abgemeldet. Zwei Millionen davon wanderten ins Ausland, 1,2 Millionen landeten tatsächlich bei den Verwertern.

In diesem Jahr seien bereits weit über 800.000 Fahrzeuge auf Schrottplätzen abgegeben worden. Mancherorts seien sogar die Verwertungsnachweise ausgegangenen. "Die Höfe sind voll", sagt Höll.

Mindestens die Hälfte verkaufbar

Pabst hat deshalb zwei seiner Werkstattmitarbeiter zusätzlich für das Trockenlegen der Fahrzeuge abgestellt. "Die kommen zur Zeit gar nicht nach." Neben der Einfahrt türmen sich Reifen, Felgen und Batterien. Und bei vielen Modellen, die ihm die Prämie auf den Platz bringt, schüttelt Pabst nur verständnislos den Kopf. "Mindestens 50 Prozent könnte man als Gebrauchtwagen weiterverkaufen."

Zwar gibt es nach Angaben des Kfz-Verbandes in Deutschland über acht Millionen Fahrzeuge, die älter als neun Jahre und weniger als 2500 Euro wert sind. Doch tatsächlich fehlen die Modelle, die den Schrottplätzen momentan zu viel sind, auf dem Gebrauchtwagenmarkt.

"Die Händler, die wir haben, haben ganz schön zu kämpfen", sagt Sven Michalczak. Er ist Geschäftsführer des Privaten Automarkts im Autokino Essen, dem nach eigenen Angaben größten in Europa. "Das ist für viele wirklich ein Todesstoß."

Die Umsätze auf dem samstäglichen Markt seien um mehr als 50 Prozent zurückgegangen. Statt 2500 Fahrzeugen stünden nur noch 1200 auf dem Platz. Es werde lange dauern, bis das Angebot an entsprechenden Autos wieder da sei. Für manche zu lange, meint Michalczak. "Die kleineren Gebrauchtwagenhändler werden das alles nicht überleben."

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