Air-France-Präsident Spinetta:Der Strippenzieher

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Jean-Cyril Spinetta hat Air France kräftig umgemodelt — und es sich doch mit keiner Seite verscherzt. Diskret, zurückhaltend und mit diplomatischen Geschick baute er das Staatsunternehmen um. Heute ist es das am Umsatz gemessen größte Flugunternehmen der Welt.

Von Gerhard Bläske

(SZ-Artikel vom 30.9.2003)— Jean-Cyril Spinetta steht vor seinem vielleicht größten Triumph. Der diskrete und zurückhaltende Air-France-Präsident wird durch die Übernahme der KLM zum Chef der - am Umsatz gemessen - größten Fluggesellschaft der Welt. Der Weg der Air France dorthin vollzog sich fast geräuschlos.

Das passt zu dem 59jährigen Absolventen der Eliteschule ENA, der den Großteil seines Berufslebens im Staatsdienst verbracht hat und seit September 1997 an der Spitze der Airline steht.

Spinetta gehört zu der raren Spezies erfolgreicher Unternehmer linker Provenienz. Bevor er zur Air France kam, diente er mehreren sozialistischen Ministern und sammelte Anfang der 90er Jahre als Chef von Air Inter erste Erfahrungen in der Luftfahrtbranche.

Bei Air France trat er einen schwierigen Posten an. Zerrissen von heftigen sozialen Auseinandersetzungen war die Gesellschaft, die Anfang und Mitte der 90er Jahre vor dem Konkurs stand und nur durch staatliche Finanzspritzen gerettet wurde, in einem schlechten Zustand.

Die Gabe, zuhören zu können

Doch Spinetta gelang es, das Staatsunternehmen zu einem rentablen Konzern zu machen. Mit Beharrungsvermögen, aber durchaus flexibel in der Methode, brachte er die Air France innerhalb weniger Jahre auf Kurs.

Sein diplomatisches Geschick und die Gabe, zuhören zu können, halfen ihm dabei. So konnte er zwar Streiks nicht verhindern, doch es ist ihm gelungen, die 17 Gewerkschaften bei Air France weitgehend zu befrieden - ohne das mit untragbar hohen Kosten bezahlen zu müssen.

Air France hat die Krise der Luftfahrt besser überstanden als die meisten Konkurrenten. Gleichzeitig machte Spinetta die Airline privatisierungsfähig und beteiligte die Beschäftigten am Kapital.

Im Rahmen der geplanten Übernahme der KLM und durch den kurz darauf geplanten Verkauf von Staatsanteilen, wird der bisherige Mehrheitsaktionär künftig nur noch 20 Prozent der Anteile halten. Größere Proteste der Gewerkschaften sind bisher ausgeblieben.

Diplomatisches Geschick

Der Korse, Vater von vier erwachsenen Kindern, hat die frühere Isolierung der Air France überwunden und sie vor einigen Jahren in die Sky-Team-Allianz mit Delta eingebunden. Durch die Übernahme von KLM werden jetzt Northwest und Continental dazukommen.

Spinetta hat auch schwierige Situationen wie den Absturz der Concorde souverän überstanden. Nun stellt er die Weichen für die Zukunft. Seine Dialogfähigkeit half ihm im Übrigen auch, die in der Vergangenheit manchmal schwierigen Beziehungen zur staatlichen Aufsicht ohne größere Reibungen zu gestalten: Er harmonierte sowohl mit dem kommunistischen Verkehrsminister Claude Gayssot, als auch mit dessen rechtem Nachfolger Gilles de Robien.

Seine Abberufung stand auch unter der konservativen Regierung nie auf der Tagesordnung. Auch die schwierige Klippe Alitalia hat Spinetta geschickt umschifft: Er lässt den derzeit flügellahmen Italienern die Tür zu einem Beitritt zum Bündnis offen - aber nicht für sofort. Zuvor soll Alitalia saniert und privatisiert werden.

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