Ärztemangel:Krankenhäusern droht Notstand

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Deutschland droht ein dramatischer Ärztemangel. "Die Nachwuchsprobleme sind alarmierend", erklärte Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer.

Von Markus Balser

In den Kliniken werde die Situation immer prekärer, klagt Burghard Rocke, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). In vielen Regionen Deutschlands würden Ärzte derzeit händeringend gesucht.

Nach einer aktuellen Untersuchungen der Personalberatung Kienbaum Executive Consultants kann jedes zweite Krankenhaus offene Stellen nicht mehr besetzen. In Ostdeutschland liegt der Anteil sogar bei 76 Prozent.

Insgesamt bleiben nach Informationen der DKG in diesem Jahr mehr als 3.100 ärztliche Stellen und rund 2.600 Stellen im Pflegebereich vakant.

Folgen treffen Patienten

"Der Versorgungsnotstand ist programmiert", sagte Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, der Süddeutschen Zeitung. Die Folgen der Personalmisere würden zwangsläufig auch die Patienten treffen.

So sei eine Verringerung der Betreuungszeiten von Kranken zu erwarten. Zahlreichen Abteilungen und selbst ganzen Krankenhäusern drohe aus Mangel an qualifiziertem Personal das Aus. Erste Fälle habe es in Ostdeutschland bereits gegeben.

Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Krankenhausinstitutes (DKI) planen ein Drittel aller Kliniken die Einführung von Wartelisten. Die Lücke könne möglicherweise nur noch mit Ärzten aus dem Ausland geschlossen werden, warnt Rocke.

Abwanderung ins Ausland

Hauptproblem für die Kliniken sei die Abwanderung von Ärzten ins Ausland und in andere Berufsfelder, erklärt die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Nur noch jeder zweite Mediziner arbeite nach dem Studium auch als Arzt.

Das Centrum für Krankenhausmanagement (CKM) macht für die Personalmisere die schlechten Arbeitsbedingungen in den Kliniken verantwortlich. Eine kaum zu bewältigende Arbeitsdichte, schlechte Verdienstmöglichkeiten, zu wenige finanzielle Leistungsanreize und starre Hierarchien vergraulten die Mitarbeiter, warnt CKM-Geschäftsführer Wilfried von Eiff.

30-Stunden-Schichten ohne Erholungphasen seien an der Tagesordnung. Krankenhausärzte schieben nach Informationen des Klinikärzte-Verbandes Marburger Bund 25 Millionen Überstunden pro Jahr vor sich her - ohne Bezahlung oder Freizeitausgleich. Eine halbe Milliarde Euro wird so jährlich gespart.

Marburger-Bund-Chef Frank Ulrich Montgomery fordert von der Bundesregierung gezielte Maßnahmen gegen den Ärztemangel. Als wesentliche Ursache der langen Dienstzeiten sieht der Verband das deutsche Arbeitszeitgesetz.

Streit um Arbeitszeiten

Danach werden Bereitschaftsdienste in Krankenhäusern teilweise als Ruhezeit gewertet. Dies widerspreche der EU-Arbeitszeitrichtlinie, kritisiert Montgomery. In einem aufsehenerregenden Verfahren hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits im Oktober 2000 entschieden, dass der Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit gewertet werden muss.

Der Marburger Bund fordert deshalb eine Änderung der deutschen Gesetzes noch im Rahmen der Gesundheitsreform. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) warf Montgomery vor, Zusagen für eine frühere Neuregelung nicht eingehalten zu haben.

Um die EU-Richtlinie zu erfüllen, müssten nach Berechnungen des Verbandes 15.000 neue Ärzte eingestellt werden. Geschätzte Kosten: Etwa eine Milliarde Euro.

Weil die Krankenkassen diese Summe nicht aufbringen können und so viele Ärzte nicht sofort zur Verfügung stehen, schlägt Montgomery ein Stufenmodell vor: Über drei Jahre sollten von 2004 an 5.000 neue Ärzte eingestellt werden. Auf die Krankenkassen kämen Zusatzkosten von 300 bis 400 Millionen Euro pro Jahr zu.

Moderne Dienstmodelle

Die Mittel sollten nur in Krankenhäuser fließen, die Ärzte auf der Grundlage moderner Dienstmodelle und des angepassten Arbeitszeitgesetzes einstellen, fordert der Verbandschef.

Auch die DKG erwartet von der Bundesregierung Sofortmaßnahmen. Tarifliche Personalkostensteigerungen müssten ausgeglichen und die strenge Deckelung der Krankenhausbudgets gelockert werden.

In den vergangenen zehn Jahren seien die Personalkosten jährlich um gut zwei Prozent gestiegen, die Budgets aber nahezu gleich geblieben, kritisierte DKG-Präsident Rocke. Die Personalkosten machen 70 Prozent der Gesamtkosten von Kliniken aus.

Helfen könnte nach Ansicht von Experten eine Reform bei der Ausbildung der Mediziner. So fordert der Präsident der Bundesärztekammer, Hoppe, eine Verkürzung der Zeit bis zur Approbation und die Verringerung der Unterrichtsfächer, um den Arztberuf wieder attraktiver zu machen.

"Schritt in die richtige Richtung"

Die für das kommende Jahr geplante Abschaffung des schlecht bezahlten Jahres als Arzt im Praktikum nannte Hoppe einen Schritt in die richtige Richtung. Ärzte würden nach dem Studium dann zu vernünftigen Gehältern beschäftigt.

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