ADAC:11 000 Pannen pro Tag

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Zentrale des ADAC in München: Der Umbau des Automobilclubs nach der Krise ist noch nicht abgeschlossen. (Foto: Christof Stache/AFP)

Manches weiß man beim ADAC ganz genau, zum Beispiel, wie vielen Autofahrern geholfen wird. Deutlich weniger präzise ist der Club, wenn es darum geht, was ihn seine Krise kostet.

Von Michael Kuntz, München

Die Kernbotschaft transportiert ein Plakat neben der ADAC-Zentrale in München: "Wir sind die Gelben Engel. Immer für Sie da, wenn Sie uns brauchen." Genau das ist es wohl, was weiter 19 Millionen Menschen im Autoclub hält, der Organisation mit doppelt so vielen Mitgliedern, wie sie alle Parteien und Gewerkschaften in Deutschland zusammen haben.

Die Mitgliederzahl blieb fast unverändert - trotz der Krise, die wegen Manipulationen bei der Preisverleihung des "Gelben Engel" im Januar 2014 begonnen hatte. Die Krise hat den Autoclub nicht schrumpfen lassen, aber an die Grenzen des Wachstums geführt. Der ADAC verlor jährlich schon immer eine halbe Million Mitglieder durch Tod oder Austritt - nach durchschnittlich 21,1 Jahren im Club. Doch 2014 verließen 1,01 Millionen Menschen den ADAC. Dieser Verlust ließ sich durch Neuwerbungen nicht ausgleichen. Die Krise wirkte: Im Jahr davor war der ADAC um eine halbe Million Mitglieder gewachsen.

Die Pannenhilfe funktioniert, Krise hin oder her: Die 1750 Straßenwachtfahrer plus 894 Straßendienst-Firmen rücken zu durchschnittlich 11 167 Pannen pro Tag aus. Im Jahr leisteten sie knapp vier Millionen Mal Pannenhilfe. Und, was wohl am meisten zählt: in 85,4 Prozent der Fälle konnte der havarierte Autofahrer danach seine Fahrt aus eigener Kraft fortsetzen.

So war es wieder im Jahr 2014, an dessen Beginn die Manipulationen beim "Gelben Engel" und danach weitere Vorwürfe den ADAC in eine schwere Glaubwürdigkeits- und Sinnkrise stürzten. Von der ist anderthalb Jahre später nicht abzusehen, wann der Club sie überwunden haben wird. "Das lässt sich zum heutigen Zeitpunkt nicht beantworten", sagt der als Reformer angetretene Präsident August Markl, ein 69 Jahre alter Radiologe im Ruhestand, im ADAC aktiv seit 40 Jahren.

Manches hat sich bereits geändert. Unter dem Eindruck der Krise war beschlossen worden: "Gleichzeitiges Testen und Verkaufen geht nicht." Es bedeutet das Aus für ein mit Partnern eingerichtetes Netz von Autowerkstätten. Dann zog sich der ADAC aus dem Fernbus-Unternehmen zurück, das nun von der Post allein betrieben wird. Verabschiedet hat er sich auch vom provisionsgetriebenen Verkauf von Autobatterien durch die Pannenhelfer, der den ADAC zum größten Batteriehändler in Deutschland gemacht hatte.

Die umstrittene gewerbliche Pannenhilfe für Nichtmitglieder soll es weiter geben

Da sich der ADAC klarer als bisher auf Leistungen für seine Mitglieder konzentrieren will, trennt er sich nun von der Arisa Assecurances S.A. in Luxemburg und damit von knapp einem Zehntel seines lukrativen Geschäftes mit Versicherungen. Die Arisa verkaufte Kfz-Versicherungen in Frankreich und in Italien. Sie war auch Vertragspartner im Assistance-Geschäft mit Autoherstellern. Diese in die Kritik geratene gewerbliche Pannenhilfe für Nichtmitglieder soll es weiter geben, auf sie entfallen nur vier Prozent aller Einsätze. Dabei werden "die Opfer dieser Pannen genauso behandelt wir unsere Mitglieder". Auch sie mussten im Durchschnitt 45 Minuten auf Hilfe warten.

Noch in dieser Woche will der Club mitteilen, wen er als neue Compliance-Chefin gewinnen konnte. Sie wird Geschäftsführerin einer GmbH mit zunächst sechs Mitarbeitern. Diese Rechtsform musste wegen der Eigenständigkeit der 18 Regionalclubs gewählt werden, damit die nicht weisungsbefugte Zentrale hier im gesamten ADAC durchgreifen kann. Insgesamt gut 50 Personen werden sich bundesweit künftig mit Compliance-Aufgaben beschäftigen, die meisten neben ihrer eigentlichen Aufgabe.

Noch keine konkreten Ergebnisse gibt es für die neue Struktur des ADAC. Zwar steht fest, dass der Verein künftig klar auf die Leistungen für die Mitglieder ausgerichtet sein soll. Eine Aktiengesellschaft soll die wirtschaftlichen Aktivitäten betreiben, also vor allem Versicherungen und Verlage. Eine ADAC-Stiftung soll ausschließlich gemeinnützig wirken.

Noch ist allerdings nicht einmal die Prüfung vollständig abgeschlossen, auf welchen Geschäftsfeldern der ADAC künftig aktiv bleiben will. Da erscheint selbst Markl sein Ziel anspruchsvoll, "bereits im Laufe des kommenden Jahres in den neuen Strukturen arbeiten zu können".

Da ist noch eine Frage ohne klare Antwort: Was wird seine Krise den ADAC letztlich kosten? Für 2014 hat die Tochter ADAC Wirtschaftsdienst 16 Millionen Euro an den Verein überwiesen - als Ausgleich für zusätzlichen Aufwand. Doch den gab es natürlich auch bei den Regionalclubs, die sich aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren. Was da hinzukommt an Kosten, man weiß es in München bei der Vorlage der Wirtschaftszahlen für 2014 angeblich nicht.

Das ist nicht alles. Denn Klaus-Peter Reimer, der Vizepräsident für Finanzen, rechnet auch 2015 mit noch einmal 16 Millionen Euro Kosten für die Bewältigung der Krise. "Ich will es nicht hoffen", aber auszuschließen sei es nicht - schon wegen der juristischen und steuerlichen Gutachten für die neue Struktur des ADAC.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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