Abwrackprämie:Politik im Schauraum

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Die Prämie für alte Autos ist ein Renner: Besonders Kleinwagen werden derzeit gekauft. Die Stille in den Autohäusern hat ein Ende.

Michael Kuntz

"Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt." So sang es die aus Bochum stammende Gruppe "Geier Sturzflug" als Teil der Neuen Deutschen Welle. Das Lied war ein Hit während der Rezession 1983, und es hat Potential im Krisenjahr 2009: "Wenn früh am morgen der Altwagen es kaum noch packt, ja, dann wird ordentlich abgewrackt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt." Seit einem Monat gibt es sie nun, die 2500 Euro als Prämie für alle, die ihr mehr als neun Jahre altes Auto verschrotten lassen und einen Neuwagen kaufen oder leasen.

Die 1,5 Milliarden Euro, die der Staat für die Abwrackprämie zur Verfügung stellt, reichen für 600.000 Autos - und nicht mehr (Foto: Foto: dpa)

Nach vier Wochen lässt sich feststellen: Menschen, die jahrelang nie ein Autohaus besucht haben, gehen auf einmal wieder hinein in die Schauräume und zeigen Interesse. Manche kaufen sich sofort einen Opel Corsa, einen Volkswagen Fox, einen Renault Twingo oder den Dacia Sandera. Das ist jenes Billigauto von Renault aus Rumänien, das mutige Autohändler unter Berücksichtigung der Prämie auf 5000 Euro herunterrechnen.

Abwrackprämie bringt Bewegung

Manche kaufen, was sie noch kriegen, bevor die bei insgesamt 1,5 Milliarden Euro gedeckelte Prämie weg ist. Sie reicht für 600.000 Autos, und dabei soll es bleiben. Die Abwrackprämie bringt Bewegung - nicht nur auf die Schrottplätze, sondern auch in die Autohäuser und damit in die Fabriken. Ein Ruck geht durch die deutsche Schlüsselindustrie, die seit der Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Beginn des vorigen Jahres kriselt.

Na klar, es lässt sich auch allerhand vorbringen gegen die Abwrackprämie als ein staatliches Instrument. Manche Kritiker sehen die Prämie sehr eindimensional, wozu beitragen mag, dass sie irreführend auch Umweltprämie genannt wird. Ein Vergleich ist grundsätzlich natürlich sinnvoll: Wie sehr wird die Umwelt belastet durch den Betrieb eines alten Autos, wie beim Bau eines neuen?

Allerdings gelten solche Rechnungen in der Krise schnell als kleinlich angesichts der 1,4 Millionen Arbeitsplätze, die in Deutschland am Auto hängen. Die Kurzarbeiter bei BMW, Daimler, Bosch und bald auch Volkswagen sorgen sich schlicht um ihre Arbeitsplätze, und zumindest von Ökonomen erwartet man eine umfassende Behandlung des Problems. Denn die Abwrackprämie ist kein Luftreinhalteprogramm, sie dient primär dazu, die Totenstille in den Autohäusern zu beenden - und diesen Zweck erfüllt sie zweifellos.

Deutlich länger als ein Strohfeuer

Nicht einmal der Einwand zählt, dass beim Kauf von Kleinwagen mit deutschen Steuergeldern Arbeitsplätze vor allem im Ausland gesichert werden: bei Dacia in Rumänien, bei Fiat in Polen, bei Volkswagen in Spanien (Polo) und Mexiko (Fox). Beschäftigung entsteht auch im Handel und in den Servicebetrieben. In jedem Fall fällt die Mehrwertsteuer in Deutschland an. Über sie finanziert sich die Abwrackprämie nämlich selbst, jedenfalls zu einem Teil. Das eher schlichte politische Instrument wirkt obendrein deutlich länger als ein Strohfeuer. Denn wer jetzt ein Auto least, kauft es vielleicht in zwei Jahren oder schafft sich dann ein neues Auto an. Die Abwrackprämie entfaltet eine Kaskadenwirkung.

Den Deutschen war die Lust auf neue Autos vergangen. Das ist vorbei, fürs Erste jedenfalls. Es gibt noch einen Hit von Geier Sturzflug, der "Bruttosozialprodukt"-Band. Da geht es um die schwer messbaren Emotionen, zu denen die Freude am neuen Auto zählt: "Aber eins kann mir keiner nehmen, und das ist die pure Lust am Leben."

© SZ vom 13.02.2009/iko/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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